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INFO ÜBER DEN EICHENPROZESSIONSSPINNER
Ein Forstschädling breitet sich aus
Der Eichenprozessionsspinner (Thaumatopoea processionea Linnaeus) ist ein Forstschädling,
der in Mitteleuropa beheimatet ist und auf Eichen und (seltener) auf Buchen lebt. Unter
besonderen Umweltbedingungen (warme, trockene Winter) kann es zur Massenvermehrung des
Forstschädlings kommen. In Österreich wurde die erste Massenvermehrung in den
Zwanzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts beobachtet.
Seit dem Anfang der 1990iger Jahre ist wieder eine Massenvermehrung des
Eichenprozessionsspinners in Wien zu beobachten. Diese hat 2004 ein sehr großes Ausmaß
erreicht. Waren in den vergangenen Jahren nur die westlichen Wiener Gemeindebezirke
betroffen, hat sich der Schädling 2004 weiter nach Osten ausgebreitet.
Es ist damit zu rechnen, dass dieses Massenphänomen noch mehrere Jahre anhalten wird.
Erst die Verschlechterung der Lebensbedingungen (Klima) führt wieder zu einem Rückgang
der Eichenprozessionsspinner-Population.
Bäume am Waldrand werden befallen
Durch das Verhalten des Eichenprozessionsspinners, Bäume am Waldrand und einzeln stehende
Bäume auch in Wohngebieten zu befallen, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Menschen
mit den Gifthaaren in Kontakt kommen.
Gefahr beim Spazierengehen und bei der Arbeit
Besonders betroffen sind Spaziergänger und Ausflügler (Kindergartengruppen und
Schulklassen), sowie Personen, die sich berufsbedingt in den Wäldern, Parkanlagen und
Gärten aufhalten (Gärtner, Förster) oder an der Bekämpfung des Schädlings mitwirken
(Mitarbeiter von Insektenbekämpfungsunternehmen, Feuerwehr).
Mit den Blättern der Eiche kommen auch die hungrigen Larven
Der Lebenszyklus der Schädlinge ist hervorragend an den Wirtsbaum angepasst. Die Eigelege
finden sich an kleinen Ästen in der Baumkrone und sind so gut getarnt, dass sie vom Boden
aus praktisch nicht entdeckt werden können. Ende April bis Anfang Mai schlüpfen die
Larven gleichzeitig mit dem Austreiben der Blätter. Die Larven leben in großen Kolonien
und durchlaufen sechs Stadien. Ab dem dritten Stadium entwickeln sich Gifthaare, die das
Eiweissgift Thaumetopoein enthalten.
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Eichenprozessionsspinnerraupen
Die nicht giftigen Seidenhaare verleihen den Raupen ihr charakteristisches Aussehen, die
Gifthaare sind auf der Aufnahme nicht zu erkennen |
Die Prozessionsspinner wandern im Gänsemarsch
Den Namen Prozessionsspinner verdanken die Tiere ihrer Gewohnheit, in der Nacht aus ihren
Nestern in die Baumkrone zu "prozessieren" um sich dort von den Blättern zu
ernähren. Am Morgen kehren sie im "Gänsemarsch" wieder in ihre Behausung
zurück. Nach dem letzten Larvenstadium verpuppen sich die Insekten und verlassen das Nest
im Juli als unscheinbare, graubraune Motten. Nach der Befruchtung legt das Weibchen bis zu
dreihundert Eier in einem Eigelege ab.
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Nest in den Bäumen
Eichenprozessionsspinnernest unter einem Hauptast einer befallenen Eiche |
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Prozession
Die Eichenspinner marschieren im "Gänsemarsch" |
Die Giftpfeile machen Probleme
Ab der dritten Raupengeneration dieses Kleinschmetterlings bilden die
Tiere Gifthaare (sog. Setae) aus, die das Eiweißgift Thaumetopoein enthalten. Dieses ist
für die verschiedenen Krankheitssymptome verantwortlich, die unter dem Begriff
Lepidopterismus zusammengefasst werden.
Die Raupen-, oder Larven-Periode dauert von April bis Mitte Juli. Daran schließt die
Puppenphase an. Während der Puppenruhe hält sich das Tier in z.T. riesigen Seidennestern
auf, die durch die eingewebten Setae vor den natürlichen Feinden geschützt werden. Der
Wind verträgt die Setae und leeren Puppenhüllen auch in der Umgebung.
Besonders hervorzuheben ist, dass die Setae mehrere Jahre in der Umwelt intakt bleiben und
daher bei Wald-, Forst und Gartenarbeit aufgewirbelt werden können.
Giftpfeilhagel im Vorübergehen
Da die Eichenprozessionsspinner nur auf der Suche nach einem neuen Wirtsbaum am Boden
anzutreffen sind, ist ein direkter Kontakt eher selten. Davon sind meistens Kinder
betroffen, die mit den scheinbar so putzigen Tieren spielen wollen. Die wichtigste
Übertragungsart ist die Vertragung von Giftpfeilen mit dem Wind oder das Passieren
befallener Bäume. Dabei werden die Patienten von den Giftpfeilen wie von einem
Giftpfeilhagel getroffen. Unmittelbar nach dem Kontakt entwickelt sich ein fast
unerträglicher Juckreiz, dem ein Hautausschlag folgt. Die Raupendermatitis kann sich in
drei verschiedenen klinischen Erscheinungsbildern zeigen: Kontakturtikaria (Quaddeln),
toxische irritative Dermatitis (Hautentzündung) oder anhaltende Papeln (Knötchen), die
an Insektenstichreaktionen erinnern.
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Raupendermatitis
Am Arm finden sich mehrere, zum teil aufgekratzte, anhaltende Knötchen, die an
Insektenstichreaktionen erinnern. |
Nicht nur Hautreaktionen sind die Folge
In den meisten Fällen kommt es nach dem Kontakt mit den verstreuten Gifthaaren,
Gifthaare-tragenden Larvenhüllen oder lebenden Raupen zu einem heftig juckenden
Ausschlag. Auch Allgemeinsymptome wie Schwindelgefühl, Benommenheit, oder Fieber sind auf
die Giftwirkung zurückzuführen. Weiters kann es zu akuten Augenereizungen
(Keratokonjunktivitis) und einer Reizungen der oberen Atemwege (Rhinitis, Phyryngitis)
kommen. Beim Einatmen der Härchen entwickeln sich, besonders bei vorbelasteten Personen,
Anfälle von Atemnot.
Unangenehm aber meist harmlos
Die meisten Reaktionen, die durch die Gifthärchen von Eichenprozessionsspinnern
hervorgerufen werden, sind zwar unangenehm aber flüchtig. Es wurde aber ein Fall einer
allergischen Schockreaktion, hervorgerufen durch Kontakt mit Eichenprozessionsspinnern aus
den Niederlanden berichtet. Schwere oder lebensbedrohliche Situationen konnten wir bei
unseren Untersuchungen nicht beobachten.
Wie sieht die Behandlung aus?
Bei den meisten Patienten genügt eine Behandlung mit externen Steroidzubereitungen
("Kortison"; Salben, Cremen, Augentropfen) und Tabletten, die gegen die Allergie
wirken (Antihistaminika). Bei Einschränkungen der Atmung (Asthma) können spezielle, die
Bronchien erweiternden Medikamente (ß-Mimetika) und Kortikoide durch Inhalation angewandt
werden. Personen mit einem überempfindlichen Bronchialsystem sind besonders gefährdet.
Die Einnahme von Kortikosteroiden ("Kortison") ist nur bei sehr schweren
Verlaufsformen erforderlich.
Vorbeugung
Viel schwieriger als die Behandlung der Krankheitssymptome ist deren Vorbeugung. Dazu ist
die Zusammenarbeit verschiedener Stellen erforderlich. Sollten in einem Garten in einer
Gegend mit Eichenprozessionsspinnerbefall Eichenbäume stehen, empfiehlt sich eine
Inspektion durch einen Forstmann vor dem Schlüpfen der nächsten Raupengeneration. Die
Eigelege können dann mit Insektiziden bekämpft werden. Nach dem Schlüpfen der Larven
sollen die Nester so früh als möglich mit Pestiziden, die die Häutung verhindern,
besprüht werden. Wege, die an befallenen Bäumen vorbeiführen, müssen abgesperrt
werden. Während der Puppenruhe werden die Nester mit einem Sprühkleber von außen her
"versiegelt", um die Vertragung der Gifthaare zu verhindern, anschließend
mechanisch entfernt und in einem geschlossenen Verbrennungssystem vernichtet. Es empfiehlt
sich, Spezialfirmen oder die Wiener Berufsfeuerwehr mit dieser Aufgabe zu betrauen, da
eine Schutzbekleidung inklusive Atemschutzmaske erforderlich ist.
Tipps zur Vermeidung von Gesundheitsschäden finden Sie weiter unten.
Noch sind viele Fragen offen
Die Erkrankungen durch Gifthaare der Eichenprozessionsspinner haben in den Bezirken Wiens,
die direkt an den Wiener Wald angrenzen, ein epidemisches Ausmaß erreicht. Unter meiner
Leitung hat sich daher eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe formiert, die sich mit den
vielen offenen Fragen um den Eichenprozessionsspinnerbefall und seine gesundheitlichen
Auswirkungen beschäftigt. |
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