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Eiweiß in der Gehirn-Rückenmarkflüssigkeit (Liquor) - Übersicht
Univ.Prof.Dr.med. Wolfgang Hübl
    
NAMEN:
Eiweiße sind eine Klasse lebenswichtiger Stoffe, die aus Aminosäuren bestehen. Viele Eiweiße kommen im Hühnereiweiß vor, daher der Name. Ein anderer Name für Eiweiß ist Protein, vom griechischen Protos = "der erste"
Albumin (ein bestimmtes Eiweiß): vom lateinischen Album = "das Weiße".
Globulin (ein anderes Eiweiß): lat. Globulus = "das Kügelchen": angedeutet kugelige Eiweißstoffe.
Gamma-Globuline: eine bestimmte Untergruppe der Globuline, die im wesentlichen aus unseren Abwehrkörpern, den Antikörpern (=Immunglobuline) besteht.
Liquor (eigentlich "Liquor cerebrospinalis" im Klinikjargon aber meist nur Liquor genannt): Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit (Liquor: lateinisch für Flüssigkeit, cerebrum: lat. für Gehirn; spinalis: lateinisch für zum Rückenmark gehörig);
   
KURZINFO:
Liquor befindet sich in den Hohlräumen des Gehirns und Rückenmarks. Normalerweise ist im Liquor nur sehr wenig Eiweiß. Findet man mehr, ist dies ein Zeichen, dass etwas nicht in Ordnung ist.

Prinzipiell gibt es drei Gründe, warum zu viel Eiweiß im Liquor sein kann:

  1. Eiweiß tritt aus der Blutflüssigkeit in den Liquor über.
    Dies sollte normalerweise nicht passieren. Es gibt keine direkte Verbindung zwischen Blutkreislauf und Liquorraum. Im Gegenteil, man spricht sogar von einer Blut-Liquor-Schranke, die viele Stoffe, unter anderem die meisten Eiweißarten, normalerweise nicht durchlässt.
    Um Störungen der Blut-Liquor-Schranke zu erkennen, misst man Albumin im Liquor. Da Albumin nur in der Leber gebildet wird, muss das Albumin im Liquor aus dem Blut kommen. Je durchlässiger die Bluthirnschranke ist, umso mehr Albumin ist im Liquor.
    Noch aussagekräftiger ist der sog. Albumin-Quotient. Dabei misst man Albumin im Liquor und in der Blutflüssigkeit. Dann dividiert man das Liquoralbumin durch das Albumin in der Blutflüssigkeit und erhält so den Albumin-Quotienten (QAlb), eine normalerweise sehr kleine Zahl (bis ca. 0.006). Ist die Blutliquorschranke gestört, kann der Quotient auf 0.1 oder darüber ansteigen. In solch schweren Fällen spricht man auch von einem Schrankenzusammenbruch.
      
  2. Durch einen krankhaften Prozess wird im Liquorraum Eiweiß produziert.
    Da ist besonders die Produktion von Immunglobulinen (=Abwehrkörper, Antikörper) zu nennen. Bei akuten oder auch länger zurückliegenden Infektionen, bei Autoimmunerkrankungen oder bei Multipler Sklerose, selten bei Lymphdrüsenkrebs, kann es dazu kommen.
    Um dies zu erkennen, misst man die Immunglobuline im Liquor.
    Wie beim Albumin kann man auch bei den Immunglobulinen das Verhältnis der Konzentration in der Blutflüssigkeit zur Konzentration im Liquor berechnen: den Immunglobulin-Quotient. Der wichtigste ist der sog. IgG-Quotient. Dabei misst man Immunglobulin-G im Liquor und in der Blutflüssigkeit. Dann dividiert man das Liquorimmunglobulin-G durch das Immunglobulin-G in der Blutflüssigkeit und erhält so den IgG-Quotienten(QIgG), eine normalerweise sehr kleine Zahl.
    Aber: Immunglobuline im Liquor können auch bei einer Schrankenstörung aus dem Blut in den Liquor kommen. Sind Immunglobuline im Liquor erhöht, muss man daher auch das Albumin beachten, um zu sehen, ob das Immunoglobulin nicht einfach aus dem Blut kommt, und nicht im Liquorraum produziert wird.
    Das kann man abschätzen, indem man die Albumin- und die Immunglobulinkonzentration, besser noch den Albumin-Quotienten und den Immunglobulin-Quotienten vergleicht.
    - Sind beide etwa gleichmäßig erhöht, wird eine Schrankenstörung vorliegen.
    - Ist nur das Immunglobulin bzw. der Immunglobulin-Quotient erhöht, wird eine Produktion von Immunglobulinen im Liquor vorliegen.
    - Ist beides erhöht, das Immunglobulin aber stärker als das Albumin wird eine Schrankenstörung UND eine lokale Produktion von Immunglobulinen vorliegen (siehe Punkt 3).
    Um dies in Zahlen auszudrücken berechnet man den sog. IgG-Index (=IgG-Quotient dividiert durch Albumin-Quotient) der zwischen 0.3 und 0.6 liegen sollte. Eine Erhöhung spricht für eine Produktion vom Immunglobulinen im Liquorraum. Noch exakter kann man eine Produktion von Immunglobulinen im Liquorraum erkennen, indem man die Werte in Diagrammen, den sog. Quotientendiagrammen oder  Reiber-Laurell-Plots aufträgt und beurteilt.

    "Oligoklonale" Banden
    Eine andere Möglichkeit, eine Produktion im Liquorraum von einem einfachen Übertritt aus dem Blut zu unterscheiden, ist die Auftrennung der Liquorimmunglobuline. Sieht man dabei Immunglobuline vermehrt, die im Blut gar nicht vorkommen, dann spricht das für eine Produktion im Liquorraum.  Man macht dies mit Techniken, bei denen die zusätzlichen Eiweißstoffe wie Streifen (Banden) auf dem Analysepapier erscheinen und spricht daher auch von "oligoklonalen" Banden im Liquor, wenn man so etwas findet.
     
      
    Beispiel für oligoklonale Banden im Liquor

    Die zusätzlichen Banden (senkrechte Streifen) im Liquor deuten auf eine Produktion von Immunglobulinen im Liquorraum hin.

     

  3. Es passiert beides: Eiweiß tritt aus dem Blut über UND wird im Liquorraum produziert
    Wie oben besprochen erkennt man das dadurch, dass sowohl Albumin als auch Immunglobuline im Liquor erhöht sind, die Immunglobuline aber stärker (genauer: überproportional) erhöht sind.
    Der IgG-Quotient ist stärker erhöht als der Albumin-Quotient, der IgG-Index (=IgG-Quotient dividiert durch Albumin-Quotient) der zwischen 0.3 und 0.6 liegen sollte, ist daher auch erhöht.

 

   
REFERENZ-
BEREICHE:
(Erwachsene)
  Bereich Einheit Bereich Einheit
Gesamteiweiß 0.150 - 0.45 g/l 15 - 45 mg/dl
Albumin 0.1 - 0.3 g/l 10 - 30 mg/dl
Albuminquotient
(QAlb)
bis 0.006   bis 0.006  
IgG 0.017 - 0.034 g/l 1.7 - 3.4 mg/dl
IgA 0.0012 - 0.005 g/l 0.12 - 0.5 mg/dl
IgM bis 0.0007 g/l bis 0.07 mg/dl
IgG-Index
(IgG-Quot./Alb-Quot.)
0.34 - 0.6   0.34 - 0.6  
monoklonale
Banden
negativ      
   
ERHÖHUNG:
Schrankenstörung
(QAlb erhöht; Gesamteiweiß oft erhöht)

Allgemein: eine Schrankenstörung ist eine bei sehr vielen Erkrankungen des Zentralnervensytems auftretende Veränderung. Daher kommen besonders bei leichten Erhöhungen sehr viele Ursachen in Frage.
  • Durch Bakterien verursachte, eitrige Gehirnhautentzündung (QAlb meist über 0.025)
  • Durch Tuberkulosebakterien verursachte Gehirnhautentzündung (QAlb meist über 0.020)
  • Durch Viren verursachte Gehirnhautentzündung (QAlb meist unter 0.020)
  • Borreliose des Zentralnervensystems (QAlb bis 0.05)
  • Chronische HIV-Gehirnentzündung (QAlb bis 0.01)
  • Guillain-Barré-Entzündung der Rückenmarksnervenwurzeln mit Lähmungen unbekannter Ursache (QAlb bis 0.05)
  • Multiple Sklerose (geringe Erhöhungen; QAlb bis 0.01)
  • Hirntumoren
  • Hirninfarkt
  • Verletzungen, Vergiftungen, schwere Stoffwechselstörungen,
  • Auch bei Verlegung der Liquorräume durch Tumoren (Stauungsliquor oder Sperrliquor) oder bei mangelnder Aufsaugung des Liquors wegen Verlegung der abfließenden Blutgefäße (Sinusvenenthrombose) entsteht das Bild einer Schrankenstörung obwohl die Schrankenstörung nicht die eigentliche Ursache ist.
      
Produktion von Immunglobulinen im Liquorraum (Immunglobulinquotienten erhöht; ev. oligoklonale Banden; Gesamteiweiß selten erhöht, wenn keine Schrankenstörung zusätzlich vorhanden ist)
  • akute Infektionen durch Bakterien, Viren, Pilze oder Parasiten
  • länger zurückliegende Infektionen (Syphilis des Nervensystems)
  • Autoimmunerkrankungen (das sind Erkrankungen, bei denen sich das Immunsystem gegen unseren eigenen Körper richtet) des Gehirns oder Rückenmarks
  • Multiple Sklerose (wahrscheinlich auch eine Autoimmunerkrankung)
  • selten können auch bei Hirnschlag, Tumoren oder Schädel-Hirn-Verletzungen Immunglobuline im Liquorraum produziert werden.

 

   
VERMINDERUNG:
geringe diagnostische Bedeutung
   

 

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Letzte Änderung 2009-07-01

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