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REFERENZBEREICH UND DAVON ABWEICHENDE LABORBEFUNDE

Univ.Prof.Dr.med. Wolfgang Hübl
Zusammenfassung: Der Referenzbereich eines Laborwerts beschreibt meist den Bereich, in dem 95% aller Gesunden zu erwarten sind. Wenn Ihr Laborwert außerhalb der Referenzbereiche liegt, kann das viele Ursachen haben. Es muss keineswegs heißen, dass Sie unbedingt krank sind.
 
Aufzählung Was ist ein Referenzbereich (Normalbereich)?
Aufzählung Was ist der Unterschied zwischen Normalbereich und Referenzbereich?
Aufzählung Wie ermittelt man Referenzbereiche?
Aufzählung Wie erkennen Sie, dass Ihr Laborwert außerhalb des Referenzbereichs liegt?
Aufzählung Was bedeutet es, wenn ein Wert außerhalb des Referenzbereichs liegt?
Aufzählung Sind Sie normal?
Aufzählung Was ist "indeterminiert" oder "im Graubereich"?
Aufzählung Zwei Labors haben bei ein und demselben Laborparameter unterschiedliche Referenzwerte!
Aufzählung Was bedeutet ein negatives Ergebnis? Ist das schlecht?

Was ist ein Referenzbereich (Normalbereich)? Zum Seitenanfang
Das ist der Bereich der Werte eines Laborwertes, in dem die meisten (aber nicht alle) Gesunden liegen oder liegen sollten.

Was ist der Unterschied zwischen Normalbereich und Referenzbereich? Zum Seitenanfang
Was man früher als Normalbereich bezeichnete, bezeichnet man heute als Referenzbereich. Die Bezeichnung Referenzbereich ist korrekter, der Unterschied aber von geringer praktischer Relevanz.
Etwas salopp gesagt, ist der Ausdruck Referenzbereich "in", während der Ausdruck Normalbereich aus verschiedenen Gründen verpönt ist. So ist einerseits der Zustand "normal" sehr schwer zu definieren, andererseits ist nicht jeder, der in diesen Bereich fällt "normal" im Sinne von gesund. Bei manchen Analysen (z.B. Cholesterin) ist der Referenzbereich auch eher ein Sollwert als der Durchschnittswert der "Normalbevölkerung". Der Ausdruck Referenzbereich ist korrekter und umgeht all diese Schwierigkeiten.

Wie ermittelt man Referenzbereiche? Zum Seitenanfang
Indem man eine bestimmte Menge Gesunder untersucht. Im allgemeinen ist der Referenzbereich der Bereich, in dem 95% aller gesunden Menschen liegen. Jeder 20. Gesunde liegt also bei einem bestimmten Laborwert nicht im Referenzbereich.
Für die meisten Laborwerte geht man so vor: man analysiert ein Gruppe von z.B. 200 Gesunden. Manche der Gesunden werden niedrige Werte haben, manche etwas höhere, die meisten werden um einen Mittelwert herum liegen. Mit statistischen Methoden berechnet man nun die Grenzen innerhalb derer 95% aller Gesunden liegen. Dabei gibt es eine Untergrenze und eine Obergrenze. 2.5% aller Gesunden liegen unter der Untergenze, 2.5% liegen über der Obergrenze. 5% aller Gesunden, anders ausgedrückt jeder 20. fällt aus dem Referenzbereich heraus.

Zeichnet man das Ergebnis des Laborwertes auf der X-Achse und die Anzahl der Personen auf der Y-Achse auf, erhält man im Idealfall eine glockenförmige Kurve, die sog. Normalverteilung.

Referenzbereich mit Normalverteilungscharakteristik

Einfachster Fall eines Referenzbereichs: die Normalverteilung
Die meisten Werte liegen um den Mittelwert (mit 0 markiert); innerhalb der doppelten Standardabweichungen (="2s-Bereich", kann man berechnen) liegen ca. 95% aller Werte (grüne Fläche). 5% der Werte der Gesunden liegen über oder unter den 2s-Grenzen (rote Fläche).
Als Referenzbereich wird im allgemeinen der grüne 2s-Bereich festgelegt.


Wie erkennen Sie, dass Ihr Laborwert außerhalb des Referenzbereichs liegt? Zum Seitenanfang
Meist wird dies im Befund durch ein H (für High = zu hoch) oder ein L (für Low = zu niedrig), ein Sternchen und/oder einen Fettdruck des Ergebnisses ausgedrückt.
Eventuell stehen auch die Obergrenzen und Untergrenzen des Referenzbereichs neben dem Laborwert, sie müssen dann selbst nachsehen, ob Ihr Wert innerhalb dieser Grenzen liegt.

Was bedeutet es, wenn ein Wert außerhalb des Referenzbereichs liegt? Zum Seitenanfang
Vor allem heißt es noch lange nicht, dass Sie unbedingt krank sind!!
Die Bedeutung eines abnormen Laborwertes kann man natürlich nicht allgemein beantworten. Nur Ihr behandelnder Arzt, kann seine Bedeutung einschätzen. Einige allgemeine Überlegung sind aber vielleicht hilfreich:

Jeder 20. Gesunde liegt draußen
Referenzbereiche sind meist so definiert, dass jeder 20. Gesunde außerhalb des Referenzbereichs liegt. Werden bei Ihnen also mehrere Werte analysiert, haben sie eine gute Chance, dass einer dieser Laborwerte außerhalb des Referenzbereichs liegt, auch wenn Sie kerngesund sind.

Abnorme Laborbefunde unbekannter Ursache
Viele Laborwerte können bei offenbar Gesunden ohne erkennbare Ursache kurzfristig, manchmal aber auch dauerhaft erhöht sein. Man nennt das dann oft idiopathische Veränderung. Das ist fachchinesisch für "unbekannte Ursache", klingt aber viel besser.

Wichtig ist auch, wie stark der Wert verändert ist
Haben Sie statt 10000 weißen Blutkörperchen 12000, kann das an vielen Dingen liegen. Vielleicht nur daran, dass Sie sich vor der Blutabnahme gefürchtet oder vorher 3 Stockwerke ohne Lift bewältigt haben. Haben sie aber 50000 weiße Blutkörperchen, muss man annehmen, dass eine Erkrankung vorliegt. Ähnlich ist es z.B auch bei vielen Tumormarkern: Leichte Erhöhungen können viele Ursachen haben, sehr starke Erhöhungen sind bedenklicher. Die gleichen Überlegungen gelten natürlich auch, wenn ein Wert zu niedrig ist: Ist er nur leicht erniedrigt, ist es weniger bedenklich als wenn er stark erniedrigt ist. Sie mögen das Binsenweisheiten nennen, aber sehr viele Menschen machen sich Sorgen, auch wenn sie nur minimal vom Referenzbereich abweichen.

Nachlesen ist bei geringen Veränderungen oft irreführend
Gerade bei nur gering veränderten Werten ist es auch eher irrreführend in medizinischen Büchern (oder auf dieser Website) nachzusehen, bei welchen Krankheiten der Wert erhöht/erniedrigt ist. Man muss keineswegs eine der aufgezählten Krankheiten haben.

Haben leicht veränderte Werte also keinerlei Bedeutung?
So kann man das leider auch nicht sagen. Leicht veränderte Werte können in der Zusammenschau mit anderen Befunden für den Arzt interessant und wichtig werden. Ein leicht veränderter Laborwert als einzige Besonderheit hat aber nur geringe Aussagekraft.

Bestätigungstest notwendig
Jeder Laborbefund von größerer Bedeutung sollte überprüft werden, besonders wenn er nicht zu den Beschwerden und Symptomen des Patienten passt. Keine Labormethode und kein Labor ist 100% ohne Fehler. Schon bei der Blutabnahme oder beim Probentransport können Fehler passieren. Eine Wiederholungsuntersuchung oder ein Bestätigungstest mit einer anderen Methode kann oft Klarheit bringen.

Diese Ausführungen sollen Sie nicht verleiten, Laborwerte auf die leichte Schulter nehmen. Sie sollten aber die Wertigkeit von Laborwerten dem Arzt überlassen und wenn er Ihnen sagt, dass Sie ein Wert nicht beunruhigen sollte, auch wenn er außerhalb des Referenzbereichs liegt, können Sie ihm das ruhig glauben.


Was ist "indeterminiert" oder "im Graubereich"? Zum Seitenanfang
Das Ergebis des Labortests liegt um die Entscheidungsgrenze herum und liefert keine eindeutige Antwort. Meist wird eine Wiederholung der Untersuchung oder die Durchführung eines anderen Tests zur Klärung notwendig sein.
Das betrifft meist Labortests, die entweder positiv oder negativ sein können und kann verschiedene Ursachen haben:
  • Das Ergebnis ist nicht eindeutig weil die Veränderung noch oder nicht mehr so stark ist. Beispiel: man erkrankt an einer Infektionskrankheit und bildet Antikörper gegen den Erreger. Durch den Nachweis dieser Antikörper im Blut kann man die Infektion nachweisen. Nimmt man aber sehr früh Blut ab, wenn erst sehr wenige Antikörper gebildet worden sind, dann kann es passieren, dass der Test weder eindeutig positiv noch eindeutig negativ ist. Auch wenn man lange Zeit nach der Infektion untersucht, kann der Antikörperspiegel im Blut so niedrig sein, dass der Test kein eindeutiges Ergebnis ergibt.
  • Störfaktoren (z.B. Medikamente, andere Erkrankungen, ev. auch Fehler des Laborgeräts) können dazu führen, dass ein Testergebnis nicht eindeutig wird.

In beiden Fällen wird eine Wiederholung der Untersuchung oder die Durchführung eines anderen Tests notwendig sein.


Sind Sie normal? Zum Seitenanfang
Wenn Sie sich in gewisser Weise deutlich anders als die Durchschnittsbevölkerung verhalten, dann können auch Ihre Laborwerte anders sein. Ohne, dass Sie deswegen krank sind.
Das betrifft zum Beispiel Menschen, die ausgiebig Dauerlaufen (Joggen). Nach einem längeren Dauerlauf kann u.a. die Kreatinkinase erhöht sein (weil sie aus den beanspruchten Muskelfasern frei wird), das freie Hämoglobin erhöht sein (weil bei bei jedem Schritt in den Füßen ein paar rote Blutkörperchen zerquetscht werden), es kann sogar Blut im Stuhl auftreten (Ursache nicht ganz so klar).
Bodybuilder können ein erhöhtes Kreatinin zeigen (wegen der großen Muskelmasse).
Wenn Sie gerade eine Abmagerungskur machen, können einige Werte verändert sein. Auch bei Vegetariern findet man Besonderheiten.
Daher: erzählen Sie Ihrem Arzt von außergewöhnlichen Lebensgewohnheiten. Dies könnte helfen, eine Abweichung vom Normalbefund zu erklären.

Zwei Labors haben bei ein und demselben Laborparameter unterschiedliche Referenzwerte! Zum Seitenanfang
Das ist ganz normal. Verschiedene Methoden haben oft verschiedene Referenzbereiche. Aber selbst für ein und dieselbe Methode werden oft leicht unterschiedliche Referenzwerte angegeben.
Es mag für den naturwissenschaftlich denkenden Leser eigenartig sein, aber es gibt viele Laborparameter, bei denen bei ein und derselben Probe mit verschiedenen Methoden systematisch unterschiedliche Ergebnisse herauskommen können. Auch wenn die Ergebnisse z.B. in µg/l angegeben werden. Natürlich ist das theoretisch unmöglich. 1 Meter bleibt ja auch ein Meter, egal wie man ihn misst. Und misst jemand etwas anderes, misst er einfach falsch.
Bei vielen Laborwerten ist es aber nicht möglich, wirklich exakt und einheitlich mit allen Methoden auf dieselben Ergebnisse zu kommen. Man bemüht sich zwar dies zu tun und internationale Organisationen entwickeln Eich- und Kalibrationsmaterialien genau zu diesem Zweck. Und es gelingt auch für medizinische Zwecke ausreichend gut, aber letztlich bleiben zwischen den Methoden kleine Unterschiede, die dann zu unterschiedlichen Referenzbereichen führen.

Was bedeutet ein negatives Ergebnis? Ist das schlecht? Zum Seitenanfang
Das hängt ganz von der Untersuchung ab. Im Gegensatz zum allgemeinen Sprachgebrauch ist aber ein negatives Ergebnis bei vielen Laboruntersuchungen wünschenswert.
Ein negatives Ergebnis beschreibt meist, dass man nichts gefunden hat. Ob dies dann gut oder schlecht ist, hängt davon ab, wonach man gesucht hat. Meist ist ein negatives Ergebnis gut. Z.B. HIV (AIDS): ein negativer AIDS-Test heißt, dass man keine Erreger oder keine Antikörper gegen HIV gefunden hat, ist also gut. Ein positiver Test wäre schlecht. Beispiel Tuberkulose: ein negativer Test ist gut - man hat keine Erreger gefunden.
Komplizierter wird es z.B. bei Hepatitis B (Leberentzündung): Manche Antikörper gegen Hepatitis B dürfen durchaus positiv sein, denn sie zeigen an, dass man nach einer Impfung oder einer überstandenen Erkrankungen immun ist. Andere Antikörper sollten negativ sein, sie würden anzeigen, dass man die Erkrankung gerade oder immer noch hat.

Wichtige Hinweise: Die Website kann Ihnen nur einen allgemeinen Überblick bieten und Orientierungshilfe sein. Allgemeine Informationen können Ihren Arzt nicht ersetzen, da nur er Ihre individuelle Situation beurteilen kann. Anregungen für Verbesserungen, Ergänzungen oder interessante Themen nehmen wir gerne an, individuelle Anfragen können leider nicht beantwortet werden. Alle Angaben erfolgen ohne Gewähr. Die in med4you dargestellten Informationen dürfen auf keinen Fall als Ersatz für professionelle Beratung oder Behandlung durch approbierte Ärzte angesehen werden. Der Inhalt von med4you kann und darf nicht  zur Diagnosestellung oder zum Durchführen von Behandlungen verwendet werden. Bitte Nutzungsvereinbarungen lesen. Reproduktionen gleich welcher Art, die über die private Nutzung hinausgehen, nur mit schriftlicher Genehmigung der Redaktion. Impressum.
 

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Letzte Änderung 2006-01-04

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