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Zur Geschichte der Photometrie in der klinischen Chemie Prim. Univ.Prof.Dr. Kurt Bauer, Univ.Doz.Dr. Wolfgang Hübl (Teile der Seite entstammen dem Artikel "Zur Geschichte der Photometrie" von Kurt Bauer in der Zeitschrift "Labor aktuell", Ausgabe 1/2002) |
Die
klinische Chemie hat zwei genetische Wurzeln, die unterschiedlicher nicht sein
können. Die erste, ältere Wurzel ist wohl in der "Harnbeschau" zu sehen. Die Diagnostik aus dem Urin durch Feststellung von Farbe, Geruch, Geschmack (?) und Menge ist bereits in schriftlichen Zeugnissen aus dem alten Griechenland belegt. Die Feststellung von Farbveränderungen ist nach heutigem Verständnis ein wohl primitives, aber immerhin brauchbares kolorimetrisches Verfahren. Somit gehört die Kolorimetrie zu den ältesten "labormedizinischen" Methoden. Allerdings handelte es sich bei diesem Verfahren lediglich um eine grobe, höchst individuelle Schätzung der Farbabweichungen. Die zweite, bedeutend jüngere Wurzel ist in gravimetrischen Verfahren zu sehen. Im 19. Jahrhundert wurden die Analysenwaagen stark verbessert, so dass präzise Messungen im Milligramm-Bereich leicht möglich wurden. Damit war die Waage im 19. Jahrhundert das bei weitem genaueste Messinstrument in der Chemie (Abb. 1).
Diese Genauigkeit wurde allerdings durch mühselige analytisch-chemische Prozeduren erkauft: Isolierung der gesuchten Substanz, diverse Fällungs- und Reinigungsschritte und schlussendlich die zeitraubende Wägung. Dennoch waren die gravimetrischen Verfahren in der biologischen (biochemischen) Forschung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts führend. Für breite Routineanwendungen waren diese Methoden nicht geeignet, allerdings gab es damals noch keine klinisch-chemische Routinediagnostik im heutigen Sinn. Von den früher gebräuchlichen, aber sehr zeitraubenden titrimetrischen Verfahren ist in der heutigen klinischen Chemie nichts mehr übriggeblieben. Mit einer Ausnahme: Eine letzte Ahnung ist im Namen "BUN" (blood urea nitrogen) erhalten. Harnstoff war vor 1900 als Substanz nicht leicht nachweisbar, daher wurde der darin enthaltene Stickstoff nach Kjeldahl titrimetrisch bestimmt und das Resultat eben korrekt als Harnstoff-Stickstoff angegeben! Heute messen wir den Harnstoff im enzymatischen Test wieder als diesen, geben aber eigentlich unkorrekt das Resultat vielfach immer noch als "BUN" an. |
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Geschichte
der Kolorimetrie Für die kolorimetrischen Verfahren mussten zunächst die entsprechenden Instrumente entwickelt werden, erste brauchbare Methoden wurden 1873 durch Vierort und 1878 durch Gowers zur Quantifizierung des Hämoglobins angegeben (Abb. 2, 3).
Otto Folin (Abb. 4) beschrieb 1904 die Creatinin-Bestimmung mittels des Duboscq-Kolorimeters (Abb. 5).
Dies war der Beginn einer wichtigen Entwicklung, in deren Folge eine Reihe weiterer kolorimetrischer Messmethoden für dieses Standardinstrument entwickelt wurde. In wissenschaftlichen Kreisen war die Kolorimetrie dennoch nicht unumstritten, da ihr vielfach zu geringe Spezifität vorgeworfen wurde. Kolorimetrische Bestimmungen sind viel schneller und einfacher als gravimetrische Verfahren, daher hat sich die Kolorimetrie trotz der Spezifitäts-Vorbehalte rasch durchgesetzt. Die apparative Weiterentwicklung wurde in Europa durch die Produktion des "Pulfrich-Photometers" (Abb. 6) ab 1923 bei Zeiss in Jena getragen.
Für das Photometer gibt es zwei wesentliche Konstruktionsprinzipien (auf die Beschreibung vieler anderer Photometer-Konstruktionen kann aus Platzmangel nicht eingegangen werden):
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Beginn
der Entwicklung moderner Geräte Spektralphotometer wurden ab 1941 in den USA von Beckman entwickelt und gebaut, die Herstellung der Gittermonochromatoren war extrem aufwendig und teuer. Nach Europa kamen die ersten Geräte ab 1950, waren aber aufgrund ihrer exorbitanten Kosten reine Forschungsgeräte. Filterphotometer wurden ab 1950 in Europa gebaut, führend war unter anderem die Firma Eppendorf in Hamburg (Abb. 7).
Die Firma Eppendorf stellte ein sehr robustes und verlässliches Gerät zu einem relativ günstigen Preis her, das rasch zum Standardgerät der Labormedizin wurde. Zwischen 1950 und 1970 wurde ein großer Teil der klinischen Chemie im deutschen Sprachraum mit diesem oder ähnlichen Geräten erarbeitet und betrieben. An den rein kolorimetrischen Verfahren wurde schon frühzeitig insofern Kritik geübt, als sie als zu wenig spezifisch angesehen wurden. Das heißt, die Farbreaktion ist nicht (nur) eine Funktion der Konzentration des gesuchten Stoffes. Auch andere, nicht direkt involvierte Substanzen wirken bei der Farbreaktion mit und können somit das Resultat beträchtlich verfälschen. Schon frühzeitig hat man versucht, die Analysen durch Einsatz enzymatischer Reaktionen spezifischer zu machen. 1908 wurde erstmals die Reaktion des Enzyms Amylase im Harn beschrieben. Die frühesten, für die Routine brauchbaren enzymatischen Testsysteme für Creatinin, saure und alkalische Phosphatase wurden um 193738 entwickelt. Unabhängig davon hat der Nobelpreisträger Otto Warburg bereits ab 1928 für seine Enzymforschungen photometrische Methoden entwickelt, die sowohl apparativ als auch chemisch Neuland bedeuteten. Er nahm damit in der Grundlagenforschung Entwicklungen vorweg, die in die Routineanalytik der Labormedizin erst ab 19541955 Eingang fanden. Ab 1955 begannen die wesentlichen Entwicklungen auf dem Gebiet der klinischen Enzymologie. 1961 brachte Boehringer Mannheim den ersten enzymatischen UV-Test für das Leberenzym GOT (ASAT) auf den Markt. Um 1970 waren die heute gebräuchlichen Methoden auf breiter Basis in der Routine eingeführt. In engem Zusammenwirken zwischen den klinisch-chemischen Fachgesellschaften und der einschlägigen Industrie wurden standardisierte Methoden entwickelt und verbreitet. Parallel dazu wurde auch das Konzept der externen Qualitätssicherung etabliert. Standardisierte Methoden und externe Qualitätssicherung haben zusammen erst die weitgehende interlaboratorielle Vergleichbarkeit der heutigen Analysenresultate ermöglicht. Die frühen Kolorimeter benötigten für eine Analyse viele Milliliter Reagenzlösung. Das Eppendorf- Photometer war für 3-ml-Küvetten ausgelegt. Bei eingeschränkter Präzision waren nach Umrüstung des Geräts auch 1-ml-"Mikro"-Küvetten einsetzbar. Mit einem, durch Handhebel bewegbaren Mehrfach-Küvettenhalter konnten vier Küvetten gleichzeitig in das Gerät geladen und nacheinander gemessen werden. Das Ablese-System entsprach einem Drehspulen-Strommessgerät mit analoger Lichtmarken-Anzeige. Mittels Stoppuhr wurde der Zeittakt für die Messungen bestimmt, die Küvetten von Hand in die richtige Position bewegt und der angezeigte Wert von der Skala auf das Messprotokoll übertragen. Die Messwerte der enzymatischen Reaktion wurden schlussendlich in einem Millimeterpapier-Raster eingetragen und die Steigung der Ausgleichsgeraden mit dem Winkelmesser bestimmt. Mit Hilfe von Umrechnungstabellen wurde aus dem Winkel der Ausgleichsgeraden die enzymatische Aktivität berechnet. Serienanalysen waren extrem zeitraubend und erforderten stundenlang höchste Konzentration. |
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Erste
Mechanisierung Voraussetzung für eine
brauchbare Mechanisierung waren daher automatisierte Pipettiereinrichtungen,
vollmechanischer Vortrieb der Küvetteneinheit und, vor allem, ein brauchbarer
analog-digital Wandler für das Messsignal.
Einen eigenen Entwicklungsweg stellten sogenannte "Durchfluss-Systeme" (Autoanalyser® von Technicon) dar. Mittels Rollenpumpen wurden Serum und Reagenzien in kalibrierten Schläuchen gemischt und schlussendlich in einem Photometer mit Durchfluss-Küvette gemessen. Die Entwicklung ging von frühen, analog messenden Einkanal- Systemen für Blutzucker und Cholesterin bis zu 20-Kanal-Systemen mit EDV-Unterstützung. Da man für jede Analyse einen eigenen Kanal benötigte, waren diese Systeme sehr unflexibel. Zudem wurden aus jeder Probe alle Analysen durchgeführt, für die das System ausgelegt war, egal ob sie benötigt wurden oder nicht. Das wiederum bedingte hohen Reagenzienverbrauch und damit unwirtschaftlichen Betrieb. Konventionelle Spektralphotometer eignen sich für raschen Wechsel der Wellenlänge nicht, da jedes Mal eine neue optische Kalibration erfolgen muss. Eine ganz spezielle Sonderkonstruktion (COBAS® Bio, Roche) war als "batch-analyser" konzipiert, hatte aber die Eigenheit, dass sich die Proben in einer rasch drehenden (ca. 1.000 U/min) Zentrifuge befanden (Abb. 10). Als Lichtquelle diente ein synchronisiertes Stroboskop-Blitzlicht. Aufgrund seiner besonderen konstruktiven und logistischen Eigenheiten war dieses System extrem präzise und vielseitig. Für den Routinebetrieb war es dennoch zu schwerfällig und infolge der langen Umrüstzeiten zu langsam.
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Die
Trockenchemie Farbreaktionen
können nicht nur in wässrigen Lösungen ablaufen, man kann sie auch auf ein festes
Trägermaterial transferieren. Ein typisches Beispiel ist das Lackmus- Papier. Hier wird
der pH-Indikator Lackmus nicht in flüssiger Form dem Reaktionsgemisch zugegeben, sondern
auf Papier gebunden und mit diesem in die Lösung eingetaucht. Das Resultat kann
anschließend bequem mit einer mitgelieferten Farbtabelle verglichen und so die Farbe mit
dem entsprechenden pH-Wert korreliert werden. Als erstes hat man versucht, die
nasschemische Harnanalytik auf die sogenannte "Trockenchemie" umzustellen. Hier
war der Bedarf besonders groß, weil für die nasschemischen Verfahren eine Reihe
unangenehm aggressiver Substanzen (wie z.B. konzentrierte Schwefelsäure, Jodlösung etc.)
verwendet wurde. Nach 1950 waren die ersten "Harnstreifen" verfügbar, mit deren
Hilfe man zunächst Eiweiß und Glukose, später dann eine Reihe weiterer Substanzen
nachweisen konnte. In der Folge versuchte man ähnliche Prinzipien auch für die
Serumdiagnostik nutzbar zu machen. Hier waren die Hindernisse beträchtlich, es haben sich
schlussendlich zwei verschiedene Prinzipien durchgesetzt. Beiden Systemen gemeinsam ist,
dass das Wasser in der Probe ausreicht, um die gewünschte chemische Reaktion in Gang zu
setzen. Es wird also weder Flüssigkeit dem System zugeführt noch gibt es flüssigen
Abfall. Ein System (Kodak) wurde in Richtung Großanalysensystem entwickelt. Aufgrund der
aufwendigen Test-Chips ist das System allerdings aus finanziellen Gründen wenig
konkurrenzfähig. Ein zweites System (Reflotron®, Boehringer Mannheim) wurde als
"bedside"- Analysensystem konzipiert, das heißt, es ist relativ klein und kann
in jeder Arztpraxis auf dem Tisch stehen (Abb. 11). Aufgrund dieser Eigenschaften
wurde dieses System auch ausgewählt, in der seinerzeitigen russischen Raumstation MIR die
klinisch-chemische Analytik der Kosmonauten vor Ort durchzuführen. Beide Trockensysteme
haben in beschränktem Umfang ihre Marktnischen gefunden.
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Der
apparative Durchbruch Um das Jahr 1980 waren all die hier besprochenen Systeme mehr oder weniger an einem toten Punkt ihrer Entwicklung angelangt. Da tauchte aus Japan ein völlig neues Photometer-Prinzip auf, das die Geräteentwicklung revolutionierte. Entstanden war die Idee zu diesem Prinzip an einer japanischen Agrar-Universität. In einem Forschungsprojekt sollte überprüft werden, bei welchen Wellenlängen des Lichtes eine bestimmte Pflanze am besten wächst. Anstatt nun Hunderte Pflanzen mit Hunderten Lampen mit monochromatischem Licht zu bestrahlen, verfiel man auf eine brillante Idee: Extrem starkes Licht einer Xenon-Hochdrucklampe wurde über einen überdimensionalen Gittermonochromator horizontal in seine einzelnen Wellenlängen aufgefächert. Im Halbkreis wurden nun die Pflanzen in diesen Lichtfächer gestellt. Wo sie gut wuchsen, war eine brauchbare Wellenlänge, wo sie nicht gediehen, waren die Verhältnisse schlecht. So konnte man mit einem Gerät in einer Wachstumsperiode unter gleichen Bedingungen alle Wellenlängen testen. Das optische System wurde in einem der größten Industriekonglomerate der Welt (Hitachi) entwickelt. Offensichtlich war das Prinzip dort auch jemandem aus der Abteilung "Klinisch-chemische Analysensysteme" aufgefallen. Auf die Photometrie umgelegt, funktioniert das Prinzip so: Die Messküvette wird zunächst mit weißem Licht durchstrahlt. Erst danach fällt das Licht auf den Gittermonochromator und wird in seine Wellenlängen zerlegt. Entlang dem aufgefächerten Lichtspektrum werden hier nicht Pflanzen, sondern Photodioden plaziert. Der Platz der einzelnen Photodiode entscheidet über die Wellenlänge, die sie misst. So können aus einer Probe gleichzeitig zehn verschiedene Wellenlängen gemessen werden, ohne dass irgendeine mechanische Veränderung am System erfolgen muss. Für jede Messung werden lediglich die 1-2 notwendigen Photodioden aktiviert, die Resultate der anderen Dioden werden verworfen.
Damit ist es möglich, in Arbeitstakten von weniger als zehn Sekunden bei minimalem apparativem Aufwand beliebige Wellenlängen aus einem vorgegebenen Spektrum zu messen. Das eigentliche Photometer ist handtellergroß und besitzt keinerlei mechanisch bewegliche Teile (Abb. 12b). Mit diesem Prinzip werden heute die meisten modernen Analysensysteme gebaut. Sie können an die 1.000 photometrische Analysen pro Stunde durchführen.
Selbstverständlich kann im Rahmen dieser kurzen Abhandlung nicht auf alle Entwicklungslinien der Analysensysteme eingegangen werden. Viele haben sich als Sackgassen erwiesen, andere wurden von der ständigen Weiterentwicklung und von innovativen Technologien überholt. So wie im Jahre 1980 der Siegeszug des "Hitachi Photometers" nicht vorhergesehen wurde, ist es auch heute nur schwer möglich, gültige Aussagen über die zukünftigen Entwicklungen zu machen. Die Industrie versucht seit Jahrzehnten, das bekannte Spannungsdreieck "schnell gut billig" in Einklang zu bringen. Üblicherweise darf man aber nur zwei von diesen Begriffen zur Erfüllung seiner Wünsche auswählen! Darüber hinaus ist zu bedenken, wie viele wesentliche Komponenten ein modernes Analysensystem besitzt: Mechanik, Optik, Hydraulik, Elektronik, Datenverarbeitung. Alle diese internen Systeme der Geräte müssen auf möglichst hohem Niveau konstruiert sein und über Jahre klaglos funktionieren. Dazu kommen noch weitere wesentliche Qualitätskriterien eines Analysensystems: Geräte-Logistik, Reagenzien, personeller Support des Lieferanten. Über Erfolg oder Misserfolg eines neuen Analysensystems entscheidet aber das schwächste Glied in dieser gesamten Kette aller genannten Komponenten. Man darf allerdings nicht vergessen, dass heutige klinisch- chemische Analysensysteme bereits einen derart hohen Grad an Perfektion erreicht haben, dass weitere Steigerungen in Richtung Durchsatzgeschwindigkeit und Miniaturisierung der Probenvolumina aufgrund extrem konstruktiven Aufwands als unwirtschaftlich erscheinen. |
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Keywords: Photometrie, Geschichte, historisches, Kolorimetrie, Colorimetrie, Photometer, Fotometrie, Fotometer, Historie | |||
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