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Immunologische Analysen - Fehlerursachen

Der High-Dose-Hook-Effekt bei einem Sandwich-Assay

Univ.Prof.Dr.med. Wolfgang Hübl


 

 
Zur Auswahl auf den Text klicken High-Dose-Hook-Effekt bei Antigenüberschuss (=abnorm niedrige Ergebnisse wegen zu hoher Konzentration des Analyts)
HIGH-DOSE-HOOK-
EFFEKT
Beim Nachweis von Analyten (Laborwerten) mit Antikörpern kann es zu paradox niedrigen Werten kommen. Mit paradox ist gemeint, dass bei steigenden Konzentrationen ab einer gewissen Analytkonzentration das Ergebnis nicht nur nicht mehr steigt sondern sogar noch niedriger wird, wenn die Konzentration noch höher steigt.
Zum besseren Verständnis ein Vergleich mit einem Tachometer beim Auto, der nur bis 180 km/h anzeigen kann. Niemanden wird es verwundern, dass er auch dann nur 180 km/h anzeigt, wenn man 200 oder 250 km/h fährt. Bei immunologischen Tests kann es aber noch schlimmer kommen: es kann sein, dass - auf das Tachometer-Beispiel übertragen - der Tacho bei 180 km/h noch 180 km/h anzeigt, bei 200 km/h nur mehr 150 km/h und, wenn man 250 km/h fährt, zeigt der Tacho vielleicht nur mehr 50 km/h an.
Leider gibt es dieses Phänomen auch bei modernen Tests immer noch. Wenn es im Labor übersehen wird, kann es zu absurden Resultaten führen: eine enorme Konzentration eines Laborwerts wird dann übersehen und als sehr niedrige Konzentration ausgegeben.

Ursache des Problems
Technisch-methodisch gesehen, hat  das Phänomen bei den verschiedenen Varianten immunologischer Tests verschiedene Ursachen. Das Gemeinsame ist, dass der zu messende Analyt im Überschuss vorliegt, dass also nicht genug Antikörper gegen den Analyt im Reagenz ist, und dass die Ergebnisse bei steigenden Konzentrationen wieder niedriger werden.
Man hat den Effekt als "Artefakt bei Antigen-Excess" oder "High-Dose-Hook-Effekt" bezeichnet bzw. bei früheren Tests mit der "Heidelberger-Kendall-Kurve" beschrieben.

 

Beispiel: Paradox niedrige Werte bei zu hohen Konzentrationen des Analyts (Antigenüberschuss) bei einem Sandwich-Magnet-Immunoassay.

Wie es funktionieren sollte - Das Testprinzip

Bei einem Sandwich-Assay muss das Analyt-Molekül von 2 verschiedenen Antikörpern gebunden werden (das passiert an zwei verschiedenen Bindungsstellen des Analyt-Moleküls). Und es müssen BEIDE Antikörper an DASSELBE Analyt-Molekül binden, damit er gemessen wird.
Der eine Antikörper hängt in unserem Beispiel eine Farbmarkierung an den Analyt an (Schritt 2 in untenstehender Abbildung). Man muss diesen ersten Antikörper im Überschuss zugeben, damit alle Analytmoleküle markiert sind.
Der zweite Antikörper trägt ein winziges Magnet-Partikel. Er bindet das Analyt-Molekül wie erwähnt "auf der anderen Seite" (Schritt 3). Auch dieser Antikörper muss im Überschuss vorhanden sein, er sollte an alle vorhandenen Analytmoleküle binden.
Im Normalfall liegen jetzt also alle Analyt-Moleküle als "Sandwiches" vor: in der Mitte das Analyt-Molekül, auf der einen Seite der Markierungsantikörper auf der anderen der "Magnet-"Antikörper.
Jetzt werden alle "Magnet-Antikörper" und damit auch alle Sandwiches durch Anlegen eines Magnetfeldes an der Röhrchenwand festgehalten (Schritt 4). Man kann nun die überschüssigen Markierungsantikörper problemlos wegwaschen (Schritte 5 und 6). Jetzt wird noch eine Reagenzlösung dazu geben, die die Farbmarkierung zum Leuchten bringt (Schritt 7). Dieses Leuchten misst man und kann daraus die Analyt-Konzentration errechnen.

Die verschiedenen Schritte einer Sandwich Immunoassay-Analyse mit Magnet-Partikeln
Legende zu den Abbildungen
Sandwich Immunoassay Analyseschritte 1 bis 4
Sandwich Immunoassay Analyseschritte 5 bis 7
Wichtig: In der Realität erfolgen Schritt 2 und 3 gleichzeitig, d.h. man gibt den farbmarkierten Antikörper und den Magnetteilchen-tragenden Antikörper praktisch gleichzeitig dazu. Man nennt das deswegen auch einen einstufigen Immuno-Assay.

 

 

Warum es manchmal nicht funktioniert - Der High-Dose-Hook-Effekt bei Antigenüberschuss: Erklärung in Worten

Sind beide Antikörper in geringerer Konzentration als der Analyt vorhanden, dann werden nicht alle Analyt-Moleküle zu "Sandwiches". Manche Analyt-Moleküle werden nur einen Markierungsantikörper binden, manche nur einen Magnet-Antikörper. Diese Analyte werden beide nicht gemessen. Nur manche Analyt-Moleküle werden zufällig doch beide Antikörper gebunden haben und können dann auch gemessen werden.
Sind jetzt noch mehr Analyt-Moleküle in der Probe, dann werden es noch weniger Analyt-Moleküle sein, die zufällig beide Antikörper gebunden haben und so gemessen werden. D.h., je mehr Analyte in der Probe sind, desto weniger werden gemessen: der paradoxe High-Dose-Hook-Effekt - je höher die Analytkonzentration desto geringer wird das Ergebnis.

Der High-Dose-Hook-Effekt bei Antigenüberschuss, Erklärung in Bildern

Vielleicht wird das Problem durch Grafiken verständlicher:

A. Wenn gerade noch ausreichend Antikörper vorhanden ist:

Sandwich Immunoassay: Gerade noch ausreichend Antikörper vorhanden


Wir messen das Signal in der "Leuchtstärke" 6.

B. Wenn doppelt so viel Analyt wie Antikörper in der Probe ist und damit ein Antigenüberschuss vorliegt:

Sandwich Immunoassay: Leichter Antigenüberschuss


Wir messen das Signal in der "Leuchtstärke" 3.



C. Wenn noch mehr Analytmoleküle in der Probe sind und damit ein noch stärkerer Antigenüberschuss vorliegt

Sandwich Immunoassay: Starker Antigenüberschuss


Wir messen das Signal in der "Leuchtstärke" von vielleicht nur mehr 1.

Je mehr Analytmoleküle in der Probe, desto unwahrscheinlicher, dass an einen Analyt beide Antikörper binden, desto niedriger das Signal.

Spielt der High-Dose-Hook-Effekt in der Praxis noch eine Rolle?

Ja, leider schon. Auch moderne Tests haben das Problem. Erst 2014 publizierte T. Bertsch aus Nürnberg Beispiele dafür. Auch als Warnung für Labors und Kliniker. Er hat den Tumormarker AFP in steigenden Konzentrationen mit 3 modernen Immunoassays gemessen. Zwei davon zeigten den Effekt ganz deutlich:  bei hohen AFP-Konzentrationen ist das Ergebnis dieser Tests wieder gefallen. So bekam man bei der enormen Konzentration von 2 Millionen (!) ng/ml nur mehr ca. 500 ng/ml heraus (Bertsch T., Clinical Laboratory, 2014; 60:1585-1586).
 

High-Dose-Hook-Effekt beim AFP nach Bertsch Thomas, 2014


Jetzt wird auch der Name "High-Dose-Hook-Effekt" verständlicher: die Kurve sollte ja bei steigenden Konzentrationen weiter nach oben und nicht nach unten gehen. Zumindest könnte sie auf hohem Niveau in einer Art Sättigung bleiben, dann ist der Wert zwar immer noch falsch aber nicht irreführend niedrig. Aber nein, es kommt noch schlimmer, die Kurve macht bei hohen Konzentrationen einen "Haken" nach unten.


Was kann man gegen den High-Dose-Hook-Effekt tun?


Daran denken

Erst einmal ist es schon wichtig zu wissen, dass es so etwas gibt. Wenn man ein unplausibel niedriges Resultat eines immunologischen Tests bemerkt,  z.B. weil der Vorwert des Patienten viel höher lag. Dann kann man dem nachgehen. Im Labor kann man dann die Probe verdünnen. Wenn nach der Verdünnung paradoxer Weise mehr herauskommt als vorher, könnte das niedrige Erstergebnis durch einen High-Dose-Hook-Effekt verursacht gewesen sein.

Für breiten Messbereich sorgen
Der Testhersteller kann dafür sorgen, dass der Test ausreichend Antikörper für einen sehr breiten Messbereich hat. Das ist aber leider nicht immer möglich.

Abnormen Testverlauf erkennen
Bei manchen Tests kann auch der Testverlauf während der Messung beobachtet werden (z.B. bei nephelometrischen Tests). Wenn dieser Verlauf abnorm ist, kann das ein Hinweis auf einen Antigenüberschuss sein. Dann wird zum Ergebnis eine entsprechende Warnung ausgegeben. Man muss die Probe dann verdünnen und noch einmal analysieren. Leider werden diese Warnungen auch nicht zu 100% verlässlich ausgegeben.

Jede Probe verdünnt und unverdünnt analysieren
Dann würde man einen High-Dose-Hook Effekt bemerken. Meist ist dies aber nicht praktikabel, kostet viel Zeit und Geld.

Immer vorab verdünnen
Man kann natürlich auch jede Probe schon vor der ersten Analyse so stark verdünnen, dass ein Antigenüberschuss gar nicht möglich ist. Dann wird man aber bei der ersten Analyse bei vielen Proben unter der Nachweisgrenze des Tests liegen und kein Resultat bekommen. Dann muss man die Probe noch einmal unverdünnt messen. Das kostet auch viel Zeit und Geld. Es ist daher nicht für alle Analyte praktikabel. Bei ganz wenigen muss man aber so vorgehen.

Einen Test verwenden, der das Problem nicht hat
Jeder Test hat eine obere Messbereichsgrenze. Liegt die Konzentration der Probe darüber, wird der Wert nicht mehr stimmen. Aber nicht bei allen Tests fallen die Ergebnisse bei höheren Konzentrationen wieder ab, bei manchen Tests bleiben die Ergebnisse wenigstens hoch, in einer Art Sättigung. Hat man dann ein hohes Resultat, weiß man, dass es noch viel höher sein könnte und muss die Probe nach Verdünnung der Probe noch einmal messen. Man wird aber nie eine hohe Konzentration als falsch niedrig ausgeben. Die nachfolgende Abbildung zeigt einen solchen Test, der keinen High-Dose-Hook-Effekt aufweist.

Kein High-Dose-Hook-Effekt beim AFP mit Zweistufentest, nach Bertsch Thomas, 2014


Diese Lösung ist aber in der Praxis auch nicht so einfach. Hat man das Gerät eines bestimmten Herstellers im Labor, dann muss man auch dessen Tests verwenden. Und da gibt es vielleicht keinen Test, der keinen High-Dose-Hook-Effekt hat.

Als Hintergrund: bei den Immunoassays sind es die Zweistufen-Tests, die den High-Dose-Hook-Effekt praktisch nicht haben. Zweistufen heißt, dass nach der Zugabe des "Fixierungs"-Antikörpers erst einmal gewaschen wird und erst danach der "Detektions"-Antikörper hinzugefügt wird. Umgesetzt auf das oben dargestellte Beispiel des Magnet-Sandwich-Tests: man müsste zuerst den Magnet-Antikörper dazu geben, dann das Magnetfeld anlegen, dann kann man den überschüssigen Analyt wegwaschen, dann gibt man den Markierungs-Antikörper dazu. Dann gibt es keinen High-Dose-Hook-Effekt mehr, es können keine falsch niedrigen Resultate mehr entstehen: Bei Analyt-Überschuss werden alle mit dem Magnet-Antikörper fixierten Analytmoleküle auch mit dem Markierungsantikörper markiert. Bei noch größerem  Analyt-Überschuss wird zwar das gleiche Resultat herauskommen (Sättigung), es kommt aber zu keinem paradoxen Abfall der Ergebnisse (siehe obige Abbildung).
Warum man dann überhaupt Einstufentests? Weil es einfachere und schnellere Testverfahren sind.
 
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Hinweis: aus isolierten, leichten Erhöhungen oder Erniedrigungen von Laborwerten kann man in den allermeisten Fällen keine Schlussfolgerungen auf irgendeine Erkrankung ziehen. Liegen also nur leichte Veränderungen vor, muss keineswegs irgendeine der nachfolgend genannten Erkrankungen oder Veränderungen vorliegen!

 

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Letzte Änderung 2019-03-10

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