Die
Trübung des Harns - Übersicht
Univ.Prof.Dr.med.
Wolfgang Hübl |
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Allgemeines - Ursachen trüben Harns - Abklärung der Ursachen
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Eine Trübung des Harns ist meist eine harmlose Erscheinung, die
durch Salze entsteht, die im abkühlenden Harn unlöslich werden und daher ausfallen
(weißliche bis rosa Trübung).
Eine Trübung des Harns kann aber auch Ausdruck eines Harnwegsinfekts sein (weiße
Blutkörperchen, Bakterien, Pilze, Eiter im Harn - weißliche Trübung) oder durch Blut im
Harn bedingt sein (rötliche bis rot-braune Trübung).
Seltener verursachen andere Zellen oder Fette eine (weißliche) Trübung. Im Zweifelsfall
ist die Ursache der Trübung durch eine Untersuchung des Harns abzuklären (Teststreifen,
Mikroskop).
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Der Harnstatus
Die Beurteilung der Farbe und der Trübung des Harns ist ein fester Bestandteil des sog.
Harnstatus.
Der Harnstatus ist kein exakt definierter Begriff. Man versteht darunter die Erhebung
einer Reihe von Routinebefunden des Harns.
Heute besteht ein Harnstatus meist aus folgenden Untersuchungen
- Beurteilung von Aussehen (und eventuell Geruch)
- Teststreifenuntersuchung
- Untersuchung des Harns im Mikroskop
- Bei Verdacht auf Harnwegsinfekt kann auch eine spezielle Untersuchung
auf Bakterien durchgeführt werden, eine sog. Bakterienkultur (im Labor-Jargon "ein
Uricult").
Wann wird ein Harnstatus durchgeführt?
- Als Routineuntersuchung bei Reihenuntersuchungen
(Gesundenuntersuchung)
- Bei der Aufnahme ins Spital
- Bei Verdacht auf Nierenerkrankungen oder Erkrankungen der ableitenden
Harnwege (Harnleiter, Harnblase, Harnröhre)
- Bei Entzündungszeichen/Fieber unbekannter Ursache
- Auch bei vielen anderen Erkrankungen kann eine gezielte Untersuchung
des Harns sinnvoll sein.
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Trüber Harn hat meist harmlose Ursachen
Da trüber Harn oft sehr beunruhigt, sei vorweg gesagt: in der Mehrzahl der Fälle hat
trüber Harn harmlose Ursachen, auf die weiter unten näher eingegangen wird.
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Anteil trüber Harne bei Gesunden mit normalen
Ernährungsgewohnheiten
In 8% der Fälle ist Harn schon beim Ausscheiden trübe. Häufiger noch
nach längerem Stehen oder nach Kühlung.
A.Free, H.Free, Urinalysis in Clinical Laboratory Praxis, CRC Press, 1975. |
Anmerkung: den hohen Prozentsatz von 8% aller
Harne können wir aus unserer eigenen Erfahrung zwar nicht bestätigen, in jedem Fall ist
ein trüber Harn aber ein recht häufiges Phänomen. |
Wie kommt es prinzipiell zur Trübung?
Normaler Harn ist durchsichtig. Kleinste gelöste Teilchen (Moleküle, Ionen) können den
Harn zwar verfärben, trüben ihn aber nicht. Harn wird trüb, wenn größere Bestandteile
nicht gelöst sondern im Harn suspendiert ("in Schwebe") sind.
Die häufigsten, den Harn trübenden Bestandteile sind:
- Salze (Urate, Phosphate)
und
- Zellen oder Zellreste
(Blutzellen, Bakterien, Pilze, Eiter, Schleimhautzellen).
- Schleim (von Drüsen der
Harnblasenschleimhaut produziert)
Viel seltener trüben Fette
(genauer: Lipide) den Harn. |
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1. Trübung durch ausgefallene Salze Vorbemerkung:
unter Ausfallen eines Salzes im Harn ist das Übergehen vom gelösten Zustand (nicht
sichtbar) in den ungelösten Zustand (sichtbar, trübend) gemeint.
Warum Trübungen durch Salze meist harmlos sind?
Man würde meinen, dass ausgefallene Salze im Harn ein bedenkliches Zeichen sind. Dem ist
aber keineswegs so. Die meisten Salze fallen erst aus, wenn der Harn den Körper bereits
verlassen hat. Das liegt vor allem an der Abkühlung. Salze, die bei 37°C im Körper noch
gut löslich sind, fallen bei Abkühlung aus. Auch der Säuregehalt des Harns ändert sich
und kann zum Ausfallen von Salzen führen.
Aber selbst wenn auch der frische, warme Harn durch Salze trüb ist, muss das noch
kein bedenkliches Krankheitszeichen sein. In der Harnblase wird ja der aus der Niere
kommende Harn zwischengespeichert. Dabei wird der Harn über mehrere Stunden gespeichert.
Da kann es vorkommen, dass der Harn, den die Niere in den ersten Stunden ausgeschieden hat
und in dem alle Salze gut löslich waren, sich mit dem Harn der folgenden Stunden mischt
und plötzlich ein Gemisch entsteht, in dem die Salze nicht mehr löslich sind und
kleinere Mengen ausfallen (A.Free, H.Free, Urinalysis in Clinical Laboratory Praxis, CRC
Press, 1975).
Bedeuten Trübungen durch Salze eine Neigung zu
Nierensteinen bzw. Harnsteinen?
Kaum. Prinzipiell sind hohe Konzentrationen bestimmter Salze im Harn ein Risikofaktor für
Harnsteine. Das Ausfallen von Salzen im Harn ist aber dafür kein verwertbarer Hinweis.
Sind Trübungen durch Urate im Harn ein Hinweis auf Gicht?
Nein, für die Diagnose der Gicht spielen Urate im Harn praktisch keine Rolle.
Harnsäure wird immer im Harn ausgeschieden. Ob Harnsäuresalze ausfallen und eine
Harntrübung verursachen, hängt von vielen Faktoren ab (z.B. Trinkmenge, pH und
Temperatur des Harns). Noch dazu werden viele Gichtfälle durch eine zu geringe
Harnsäureausscheidung verursacht.
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2. Trübung durch Zellen oder Zellreste
- Rote Blutkörperchen (Erythrozyten; rote bis
rot-braune Trübung)
Rote Blutkörperchen trüben den Harn. Im Gegensatz zu Hämoglobin, das zwar auch eine
Verfärbung aber keine Trübung verursacht. Näheres über die Ursachen von Blut im Harn
siehe unter Blut im Harn.
Blut und Hämoglobin
im Harn |
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Blut im Harn
(trüb) |
Hämoglobin* im Harn
(durchsichtig) |
Blut im Harn
(trüb) |
Hämoglobin* im Harn
(durchsichtig) |
Besonders
deutlich wird der Unterschied zwischen trübem, blutigem Harn und durchsichtigem,
Hämoglobin-haltigem Harn, wenn ein Schriftstück unterlegt wird.
*Um den Unterschied zum Blut im Harn zu verdeutlichen wurde ein Harn mit
Hämoglobin versetzt. In der Praxis haben Hämoglobinharne meist keine rein rötliche
Farbe, da rasch ein Übergang ins Bräunliche erfolgt oder (bei sehr schweren Hämolysen)
gleichzeitig Bilirubin im Harn ist. |
- Weiße Blutkörperchen (Leukozyten; weißliche
Trübung)
Näheres siehe unter Leukozyten im Harn.
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Fallbeispiel: Trübung
bei Harnwegsinfekt
Die Trübung wird besonders durch das unterlegte Schriftstück deutlich. Sie war
verursacht durch Leukozyten, Bakterien und ausgefallene Salze.
(Leukozyten >500/µl, pH 9, Nitrit positiv, Karbonate und wahrscheinlich
Phosphate. Der Harn roch stark.) |
- Bakterien, Pilze
Kommen vor im Rahmen von Harnwegsinfekten (z.B. Cystitis oder Pyelonephritis) oder nach zu
langem Stehenlassen des Harns (Bakterien können sich in dem bei Raumtemperatur gelagerten
Harn vermehren).
- Eiter
Eiter ist ein Gemisch aus weißen Blutkörperchen und eingeschmolzenem Gewebe. Kommt bei
schweren Harnwegsinfekten im Harn vor.
- Zellen der Schleimhaut des Harntraktes
Sind meist nur in geringer Menge vorhanden und verursachen daher meist keine erkennbare
Trübung.
Vermehrtes Auftreten bei Nierenschäden (Zellen aus den Nierenröhrchen) und
Harnwegsinfekten (Schleimhautzellen der Harnwege).
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3. Trübung durch Schleim Im ausgeschiedenen
Harn können auch beim Gesunden nach kurzer Zeit wenige, weißliche, wölkchenartige
Gebilde entstehen und zu Boden sinken. Es handelt sich dabei um geringe Mengen von Eiweiß
bzw. Schleim von der Schleimhaut der Harnwege.
Man nennt diese Wölkchenbildung lateinisch Nubecula.
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4. Trübung durch Lipide, Lipoproteine ("Fette")
- Bei schweren Schädigungen der Niere, genauer der
Nierenfilter, der Glomeruli, kommt es zu massivem Auftreten von Protein (Eiweiß) im Harn
(sog. Nephrotisches Syndrom). Oft finden sich dabei auch auch verfettete Zellen aus der
Niere und Fetttröpfchen im Harn.
- Verunreinigungen mit Salben, Zäpfchen,
Kathetergleitmitteln
- Chylurie: Bei Verstopfung des regulären
Lymphabflusses kann Chylus in den Harn gelangen. Harn milchartig.
Chylus ist die aus dem Dünndarm kommende, sehr fettreiche (genauer:
Chylomikronen-reiche) Lymphflüssigkeit.
Ursachen: Tumorbefall der Lymphknoten, Missbildungen der Lymphwege,
Prasitenerkrankung (Filariasis; Fadenwürmerkrankung der Tropen und Subtropen).
- Bei Fettembolien nach Verletzungen der Knochen kann
auch Fett in den Harn gelangen. Dies wird aber kaum eine wahrnehmbare Trübung
verursachen.
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Manchmal werden zur endgültigen Abklärung einer
Trübung Spezialanalysen notwendig sein. Oft kann man aber mit einfachen Mitteln Hinweise
auf die Ursache einer Trübung bekommen.
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Geruch, Farbe
- Riecht der Harn schlecht (jauchig)?
Spricht für Harnwegsinfekt mit Eiter bzw. weißen Blutkörperchen und ev. ausgefallenen
Phosphaten.
- Rote bis rotbraune Farbe
Rote bzw. rotbraune Trübung könnte durch Blut im Harn verursacht sein.
Eine leicht ins rötliche gehende Färbung haben aber auch Urate (Ziegelmehlsediment).
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Klassische Tests
zur Abklärung der Trübung
Bestimmte Trübungen lassen sich mit bestimmten Methoden beseitigen. Das lässt
Rückschlüsse auf die Ursache der Trübung zu. Wird die Trübung geringer, verschwindet
aber nicht, kann das daran liegen, dass mehr als eine Ursache für die Trübung
verantwortlich ist.
Die nachfolgend beschriebenen Tests sind traditionsreich, werden aber in der Praxis kaum
mehr angewendet.
Warnung: die folgenden Angaben sind als Informationen aber nicht als Anleitung
gedacht. Vom Hantieren mit Säuren oder Laugen wird abgeraten.
- Verschwindet die Trübung beim Erwärmen?
Das spräche vor allem für Urate (Salze der Harnsäure).
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Fallbeispiel: Erwärmen beseitigt
Trübung
Die Trübung verschwand nach Erwärmen des Harns, was sehr für Urate als Ursache
der Trübung spricht.
Dieser Harn war stark konzentriert mit leicht erhöhtem Bilirubin. Daher ergab sich
auch nach Beseitigung der Trübung keine normale Harnfarbe. |
- Wie reagiert die Trübung auf Essigsäure?
Hat die Erwärmung den Harn nicht geklärt, verschwindet die Trübung aber nach
Ansäuerung des Harns mit verdünnter Essigsäure, spricht dies für Phosphate als Ursache
der Trübung.
Da Phosphate sehr oft bei Harnwegsinfekten vorkommen, wird die Trübung meist nicht
völlig verschwinden. Weiße Blutkörperchen, Bakterien oder Eiter werden den Harn weiter
trüben.
Kommt es nach Zugabe von Essigsäure neben dem Aufklaren gleichzeitig zu einer Gasbildung,
spricht dies für Karbonate.
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Gasbildung bei Karbonaten
Die Trübung verschwand nach Erwärmen des Harns nicht (linkes Bild). Nach Zugabe
von Essigsäure klarte der Harn leicht auf und es kam zu starker Gasbildung (Gasblasen).
Dies spricht für Karbonate. Phosphate könnten auch dabei sein.
(Diagnose war Harnwegsinfekt, Leukozyten >500/µl, pH 9, Nitrit positiv). |
Der Harn konnte durch den Zusatz
von Essigsäure nicht völlig durchsichtig werden, weil die Trübung neben den Salzen auch
durch weiße Blutkörperchen (Leukozyten) und Bakterien bedingt war. |
- Wie reagiert die Trübung auf Salzsäure?
Haben die beiden ersten Versuche den Harn nicht aufgeklart, verschwindet die Trübung aber
nach Zugabe verdünnter Salzsäure, spricht dies für Oxalate als Ursache der Trübung.
- Wie reagiert die Trübung auf Natronlauge?
Kommt es nach dem Mischen mit Natronlauge zum Übergehen der Trübung in eine
gelatin-artige Durchsichtigkeit, spricht dies für Eiter (Donné-Eiterprobe).
Wird der Harn mit Natronlauge "normal" durchsichtig, spricht dies für
Harnsäure als Ursache der Trübung.
- Wie reagiert die Trübung auf Äther?
Klärt der Harn auf, nachdem man ihn mit Äther mischt und schüttelt, spricht dies für
ein Lipid ("Fett") als Ursache der Trübung.
- Wie reagiert der trübe Harn auf Stehenlassen?
- Beim Stehenlassen des Harnes sinken ausgefallene Salze, rote und
weiße Blutkörperchen, Schleimhautzellen, Nierenröhrchenzellen und Eiter zu Boden und
bilden einen Bodensatz (Sediment). Der darüberstehende Harn wird mit der Zeit klar. Das
dauert allerdings Stunden.
- Bakterien-verursachte Trübungen bleiben unverändert, es bildet sich
kein Bodensatz.
Bei Raumtemperatur werden sich die Bakterien noch vermehren, die Trübung kann also
zunehmen.
- Freie Fetttropfen werden langsam "aufrahmen", sich also an
der Oberfläche des Harns ansammeln. Der Harn wird langsam klarer.
- Chylurie: Chylus wird unverändert eine milchartige Trübung
verursachen.
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Harnteststreifenuntersuchung Verschiedene Ergebnisse eines Mehrfachharnteststreifens können Hinweise auf
die Ursache einer Trübung liefern. In jedem Fall sollte aber eine mikroskopische
Untersuchung zur Absicherung des Ergebnisses folgen:
Direkte Hinweise
- Leukozytentestfeld
Nachweis von weißen Blutkörperchen als Trübungsursache.
- Erythrozytentestfeld
Nachweis von roten Blutkörperchen als Trübungsursache.
- Nitrit
Nachweis von Bakterien als Trübungsursache.
Indirekte Hinweise
- pH-Feld
Niedriger pH (< 6) macht Urate wahrscheinlicher, hoher pH (> 6) Phosphate.
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Mikroskopische
Untersuchung Mikroskopisch sind praktisch alle
Trübungsursachen erkennbar: Ausgefallene Salze, alle in Frage kommenden Zellen (inkl.
Bakterien und Pilze) aber auch Fette können erkannt werden.
Bei Verdacht auf Fette ist zu beachten: Bei der normalen
Praxis der Untersuchung eines aufgeschüttelten, zentrifugierten Bodensatzes (=Sediments)
übersieht man manche Fette (z.B. die nach Fettembolie auftretenden), weil sie sich nicht
im Sediment sondern an der Oberfläche des Harns ansammeln. Hat man diesen speziellen
Verdacht muss man Harn von der Oberfläche zur mikroskopischen Untersuchung verwenden.
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