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Blut im Harn (Hämaturie) - Übersicht
Univ.Prof.Dr.med. Wolfgang Hübl
Namen - Info - Referenzbereiche - Erkrankungen mit Blut im Harn
NAMEN:
Häm- Wortteil mit der Bedeutung Blut; -urie Wortteil mit der Bedeutung Harn. Hämaturie: Blut im Harn.
Makro- Wortteil mit der Bedeutung groß, mikro- Wortteil mit der Bedeutung klein.
   
INFO:

 

Was ist eine Hämaturie und wie erkennt man sie?

Was versteht man unter einer Hämaturie?
Unter Hämaturie versteht man das vermehrte Auftreten von Blut, genauer gesagt roten Blutkörperchen (Erythrozyten) im Harn.
Die Ausdrücke Erythrurie oder Erythrozyturie sind weniger gebräuchlich, obwohl sie etwas exakter wären.

 

Sind im Harn normalerweise rote Blutkörperchen?
Ja, aber sehr wenige. Bei einer üblichen Harnuntersuchung mit dem Mikroskop (Vergrößerung 400-fach) sollte man pro Gesichtsfeld nur maximal 2 rote Blutkörperchen sehen. Findet man mehr, ist das bereits eine Hämaturie.
Nicht alle setzen die Grenze so niedrig an. Manche nennen es erst ab 5 roten Blutkörperchen pro Gesichtsfeld Hämaturie.

 

Woran erkennt man Blut im Harn?

  • Makrohämaturie
    Sind viele rote Blutkörperchen im Harn, dann sieht man die Hämaturie auch ohne Hilfsmittel, also mit freiem Auge, weil sie eine rote Verfärbung des Harns verursacht. Man nennt dies Makrohämaturie.
     
    Makrohämaturie sichtbar in Harnprobe links (Röhrchen mit etwa 8mm Durchmesser) Makrohämaturie
    Beim Harn links erkennt man schon mit freiem Auge die braunrötliche, trübende Verfärbung. Dies ist ein Befund bei relativ starker Hämaturie. In dem Beispiel sind es 5000 rote Blutkörperchen pro mikroliter [µl] Harn.

    Zum Vergleich rechts ein normaler Harn, keine Trübung, keine Verfärbung.

     

  • Mikrohämaturie
    Sind nur wenige rote Blutkörperchen im Harn, dann kann man die Hämaturie nicht mit freiem Auge erkennen. Man braucht dann entweder ein Mikroskop oder einen Harnteststreifen, um die roten Blutkörperchen im Harn nachzuweisen. Dies wird als Mikrohämaturie bezeichnet.
     
    Mikrohämaturie sichtbar am Teststreifen (links) Mikrohämaturie
    Der Harnteststreifen links zeigt Blut im Harn an. Die fleckige Grünfärbung sagt, dass es wirklich rote Blutkörperchen sind. Hämoglobin würde eine gleichmäßige Grünfärbung verursachen. Bei stärkerer Hämaturie ist das aber nicht mehr gut unterscheidbar, da die einzelnen Flecken verschmelzen. Der dargestellte Befund entspricht ca. 50 roten Blutkörperchen pro µl Harn. Ab einer Menge von 5-10 roten Blutkörperchen pro µl Harn ist dies mit einem Teststreifen erkennbar.
    Zum Vergleich rechts ein Normalbefund.

 

Ist es wirklich Blut? Wie sichert man den Befund ab?
Hat man mit bloßem Auge oder mit dem Teststreifen vermeintlich Blut nachgewiesen, muss erst einmal geklärt werden, ob es sich wirklich um rote Blutkörperchen handelt. Sowohl die Harnfarbe als auch der Teststreifenbefund können täuschen:

  • Rötliche Harnfarbe ohne Blut im Harn
    Eine rötliche Harnfarbe kann auch durch Nahrungsmittel (rote Rüben [=rote Bete], Rhabarber), Anilinfarbstoffe oder Medikamente entstehen.
    Seltener kann auch soviel Myoglobin oder Hämoglobin im Harn sein, dass dieser auffällig verfärbt wird (die Ursachen sind im nächsten Punkt beschrieben).
    Auch bei Porphyrien (seltene, meist erbliche Stoffwechselkrankheiten mit Lichtempfindlichkeit der Haut, Leberschäden aber auch plötzlichen Bauchschmerzen) kann roter Harn auftreten. Typisch ist bei manchen Formen ein Nachdunkeln des Harns, das heißt der Harn wird mit der Zeit dunkler.
  • Positiver Teststreifenbefund ohne Blut im Harn
    Ein positiver Teststreifenbefund entsteht auch durch Hämoglobin (=der rote Blutfarbstoff) oder Myoglobin (=Eiweiß in Muskelzellen). Hämoglobin oder Myoglobin im Harn weist aber auf ganz andere Krankheiten hin, daher muss man dies von einer echten Hämaturie unterscheiden.
    • Hämoglobin: Hämoglobin gelangt in den Harn, wenn im Blut eine größere Menge von roten Blutkörperchen zerstört wird (Hämolyse). Dabei wird Hämoglobin frei und gelangt teilweise in den Harn. Ist Hämoglobin im Harn, wird der Teststreifen zwar "rote Blutkörperchen" anzeigen, im Mikroskop wird man aber keine roten Blutkörperchen sehen. Blutbefunde können einen Hinweis auf Hämoglobin im Harn liefern: z.B. eine hohe LDH, ein niedriges Haptoglobin oder auch eine rosa-rötliche Färbung der Blutflüssigkeit.
    • Myoglobin: Bei Zerstörung von Muskelgewebe (Rhabdomyolyse) gelangt Myoglobin ins Blut und auch in den Harn. Ist Myoglobin im Harn, wird zwar der Teststreifen "Blut/Hämoglobin" anzeigen, im Mikroskop wird man aber keine roten Blutkörperchen sehen. Blutbefunde können einen Hinweis auf Myoglobin im Harn liefern: z.B. eine hohe CK, die ebenfalls aus dem Muskel kommt.

    Auch bei Infektionen durch Bakterien können Teststreifen fälschlicherweise rote Blutkörperchen anzeigen.

Im Zweifelsfall kann die mikroskopische Untersuchung des Harns klären, ob wirklich rote Blutkörperchen im Harn vermehrt sind.
Einschränkung: Wenn man im Mikroskop keine roten Blutkörperchen findet, obwohl der Teststreifen Blut anzeigt, kann das auch daran liegen, dass die roten Blutkörperchen vor der mikroskopischen Untersuchung im Harn zerstört wurden. Das kann bereits im Körper passieren oder bei der Aufbereitung des Harns vor der mikroskopischen Untersuchung. Kann man den Verdacht auf eine echte Hämaturie also nicht sicher ausschließen, wird man sie abklären oder zumindest kontrollieren müssen, auch wenn man im Mikroskop keine roten Blutkörperchen findet.

Daneben sollte daran gedacht werden, dass rote Blutkörperchen im Harn auch von der Regelblutung, eventuell auch von Blut im Stuhl kommen können.

 

 

Ursachen von Hämaturien

Vorweg sei gesagt: die häufigsten Ursachen für eine Hämaturie (ohne sonstige Beschwerden) sind leichtere oder zumindest gut behandelbare Erkrankungen. Bei Makrohämaturie ist das Risiko, dass eine schwerwiegende Erkrankung die Ursache der Hämaturie ist, größer als bei Mikrohämaturie. Bei Mikrohämaturie findet man nur bei einem sehr kleinen Teil der Fälle eine schwerere Erkrankung. Nicht selten findet sich auch gar keine Ursache (und zwar vor allem bei Mikrohämaturie, manchmal aber auch bei Makrohämaturie).

Einschub: das Harnsystem
Harnsystem Das Blut fließt durch die Nieren. Harn wird durch die Nierenfilter, die Glomeruli, abgefiltert. Der größte Teil der Flüssigkeit wird noch in der Niere zurückgeholt, aber ca. 1.5 Liter fließen pro Tag über die Harnleiter in die Blase und werden über die Harnröhre ausgeschieden.

Ein Nierenfilter (Glomerulus)

Der Glomerulus
Über 1 Million solcher Filter finden sich in der äußeren Schicht der Nieren.

 

Prinzipielle Ursachen von Hämaturien

  • Nierenerkrankungen
    Eine Vielzahl von Nierenerkrankungen kann Blut im Harn zur Folge haben:
    • Entzündungen (Autoimmunerkrankungen, Infektionen)
    • Erbliche Erkrankungen der Nierenfilter (Glomeruli)
    • Tumoren
    • Zysten der Niere (abnorme Hohlräume)
    • Verletzungen
    • Blutgefäßverstopfungen (Der Blutzufluss zur Niere aber auch der Blutabfluss von der Niere kann verstopfen)
    • Gefäßmissbildungen
    • Medikamenteneinnahme (z.B. Schmerzmittel)
    • u.a.

    Glomeruläre Hämaturien
    In der Niere entsteht eine wichtige Untergruppe von Hämaturien, die sog. glomerulären Hämaturien. Davon spricht man, wenn die Filter der Niere, die sog. Glomeruli, undicht werden und rote Blutkörperchen in den Harn durchlassen. Das kann bei verschiedenen Nierenerkrankungen vorkommen. Meist liegt der Grund in einer Entzündung der Glomeruli (sog. Glomerulonephritis) aber auch erbliche Erkrankungen, die die Glomeruli betreffen, können die Ursache sein. Die roten Blutkörperchen (= Erythrozyten) bei glomerulären Hämaturien haben im Mikroskop ein typisches Aussehen. Mann nennt sie auch glomeruläre Erythrozyten oder dysmorphe Erythrozyten.

    Eine erst in denn letzten Jahren so richtig erkannte, häufige Ursache glomerulärer Hämaturien soll vorweg erwähnt sein: die Erkrankung mit dünner Basalmembran (Thin Basement Membrane Disease, TBMD). Bei den Betroffenen ist eine Membran der Nierenfilter (=Glomeruli) dünner. Diese erbliche Krankheit, die früher als benigne familiäre Hämaturie bezeichnet wurde, verläuft gutartig und führt nur extrem selten zu einem Nierenschaden.

  • Erkrankungen des Harnleiters, der Harnblase und der Harnröhre
    • Steine
    • Entzündungen (v.a. durch Infektionen)
    • Verengungen des Harnleiters oder der Harnröhre
    • Tumoren
    • Verletzungen, Fremdkörper
    • Endometriose (Schleimhaut der Gebärmutter im Bereich der Harnwege)
  • Erkrankungen der Vorsteherdrüse (Prostata)
    • Entzündungen (v.a. Infektionen)
    • Tumoren (sind meist gutartig)

 

Andere, mögliche Ursachen einer Hämaturie:

  • Störungen der Blutgerinnung (z.B. bei Marcoumar-Behandlung, Heparin-Behandlung)
  • Zu wenige oder nicht funktionierende Blutplättchen
  • schwere körperliche Anstrengungen (Marathonlauf)
  • Zuckerkrankheit (mit Nierenschädigung)
  • Nierenschäden bei zu hohem Kalzium oder zu hoher Harnsäure im Harn; Gichtniere
  • Sichelzell-Anämie (erbliche Blutarmut mit sichelartigen roten Blutkörperchen)
  • Thalassämie (erbliche Blutarmut mit abnormem roten Blutfarbstoff in den roten Blutkörperchen)

 

Welche Ursachen sind häufiger? Warum sind die Statistiken dazu so unterschiedlich?
Wenn eine Hämaturie festgestellt wird, möchte man ja als erstes wissen, welche Ursachen in Frage kommen und wie gefährlich sie sind.
Leider sind die Studienergebnisse betreffend die Häufigkeit der Ursachen von Hämaturien sehr unterschiedlich.

  • Schwerere Erkrankungen werden manchmal überschätzt
    Z.B. fand eine Studie bei 22% aller Hämaturie-Patienten maligne Tumoren, also "Krebs" (G.D. Grossfeld, Urology, 2001), eine andere Studie bei nur 9.5% (A.J. Mariani, Journal of Urology, 1989), eine weitere bei nur 2.9% (S. Kazunobu, International Journal of Urology, 2001) und eine gar nur bei unter 1% (Mohr, JAMA, 1986). Diese unterschiedlichen Zahlen kommen vor allem durch unterschiedliche Auswahl der Studien-Patienten zu Stande. Wird die Studie z.B. an einem urologischen Zentrum gemacht, mit Patienten, die wegen einer Hämaturie an dieses Zentrum überwiesen wurden, dann kommt natürlich ein höherer Anteil an schwerwiegenden Erkrankungen heraus. Denn wegen einer einfach nachzuweisenden Erkrankung, wie z.B. einer Blasenentzündung, wird wohl kein Patient an ein Zentrum überwiesen werden. Auch die Altersstruktur der Studien-Patienten hat Einfluss. Bei älteren Patienten ist Krebs wahrscheinlicher als bei jüngeren oder Kindern.
  • Häufige Ursachen bleiben unerkannt
    Ein weiteres Problem ist, dass sehr häufige Ursachen von Hämaturien relativ leichte Erkrankungen der Nieren-Glomeruli sind. Dazu gehört z.B. die oben bereits erwähnte erbliche "Erkrankung mit dünner Basalmembran". Diese Erkrankung verursacht außer der Hämaturie oft keine Beschwerden und Probleme. Man kann die Erkrankung nur mit Spezialuntersuchungen (Gewebsentnahme aus der Niere, Elektronenmikroskopie) sicher nachweisen. Bei einer leichten Hämaturie ohne sonstige Beschwerden wird man aber kaum eine Nierengewebsprobe entnehmen. Auch eine andere häufige Ursache einer Hämaturie, die IgA-Nephropathie kann sehr leicht verlaufen und wird dann kaum durch eine Nierengewebsprobe bewiesen werden. So bleiben diese Erkrankungen oft unerkannt. Man weiß aber, dass sie zu den häufigsten Ursachen einer Mikrohämaturie zählen.

Diese Problematiken seien deswegen an dieser Stelle angesprochen, damit sie ein positiver Teststreifenbefund (d.h. Blut im Harn vorhanden) nicht übermäßig beunruhigt. Dahinter kann eine schwere Erkrankung stecken, die häufigsten Ursachen sind aber leichtere Erkrankungen oder erbliche Besonderheiten.

Ursachen einer Hämaturie (Makro- oder Mikro-) bei 1000 ansonsten beschwerdefreien und unauffälligen Erwachsenen (Eiweiß im Harn normal)
(A.J. Mariani, Journal of Urology, 1989)

Ursache Häufigkeit
Blasenentzündung, Harnröhrenentzündung 51.5 %
Gutartiger Tumor der Vorsteherdrüse (Prostataadenom) 22.4 %
Karzinom ("Krebs") der Harnblase 7.5 %
Steine im harnableitenden System (z.B. "Nierensteine") 5.2 %
Engstellen im Bereich des Harnblasenausgangs oder der Harnröhre 4.3 %
Glomerulonephritis (spezielle Entzündung der Niere) 1.4 %
Nierenzellkarzinom ("Nierenkrebs") 1.1 %
Pyelonephritis (bakterielle Infektion der oberen Harnwege mit Beteiligung des Nierenbeckens, der Nierenkelche und der Niere) 1.1 %
Karzinom im Bereich des Harnleiters oder des Nierenbeckens 0.9 %

Häufigkeit von urologischen Erkrankungen bei positivem Teststreifenbefund
(d.h. ohne mikroskopische Bestätigung und ohne sichtbare Hämaturie)
(M.A. Khan, British Journal of Urology International, 2002)

Nierensteine, Blasensteine 5.5 %
Vergrößerte Prostata (ohne Hinweis auf Karzinom) 3.0 %
Blasenentzündung und andere Infektionen des Harntraktes 2.5 %
Blasentumoren (Karzinome) 1.6 %
Verengungen der Harnröhre 0.5 %
Anmerkung: in dieser Studie sind nur die urologischen Krankheiten erfasst worden. Die Gruppe der Nierenentzündungen (Glomerulonephritis und interstitielle Nephritis) und viele andere Nierenerkrankungen gehören zum internistisch-nephrologischen Bereich und sind nicht angeführt.

 

 

Abklärung der Ursache einer Hämaturie

Einfache Hinweise auf die Ursache einer Hämaturie
Um eine Hämaturie vollständig abzuklären, können sehr aufwändige Untersuchungen notwendig werden. Und selbst dann gelingt es nicht immer, eine Ursache zu finden.
Man kann aber bei Beachtung verschiedener, einfacher Befunde zwar keine Beweise aber immerhin wichtige Hinweise auf bestimmte Ursachen bekommen.

In welcher Phase des Harnlassens erscheint das Blut?
(Harn in verschiedenen Portionen sammeln)

  • Ist Blut nur in der ersten Harnportion oder kommt Blut auch ohne Harnlassen aus der Harnröhre, dann wird das Problem vor allem in der Harnröhre bzw. der Prostata zu suchen sein.
  • Ist das Blut vorwiegend in der letzten Harnportion könnte das auf ein Problem im Bereich des Blasenhalses (d.h., wo die Harnblase in die Harnröhre übergeht) oder im Prostata-Bereich hindeuten.
  • Bei anderen Blasenerkrankungen oder Erkrankungen des oberen Harntraktes (Niere, Harnleiter) wird in allen Portionen Blut zu finden sein.

 

Ist im Harn auch zuviel Eiweiß (Proteinurie)?
(Eiweiß ist meist mit dem gleichen Teststreifen nachweisbar)

  • Erhöhtes Eiweiß spricht für eine Ursache im Bereich der Niere.
    • Leichtere Erhöhungen (z.B. 0.5 bis um 1.0 g / Tag) können bei verschiedenen Nierenerkrankungen auftreten (Glomerulonephritis, interstitielle Nephritis),
    • stärkere Erhöhungen (mehr als 1.5 g / Tag) sprechen für eine Schädigung der Glomeruli der Niere (Glomerulonephritis oder andere Schäden der Glomeruli).
  • Findet man kein erhöhtes Eiweiß im Harn, heißt das aber natürlich nicht, dass die Ursache nicht dennoch in der Niere liegen kann.
  • Auch bei schweren infektiösen Entzündungen des Harntraktes kann Eiweiß positiv sein, etwa bis 0.5 g / Tag. Dies wird aber meist durch die Beschwerden und andere Symptome des Patienten erkennbar sein.

Sie mögen sich fragen, ob nicht auch bei Blutungen, die aus dem Harnleiter oder der Harnblase kommen (z.B. wegen eines Tumors oder eines Steins) Eiweiß erhöht sein muss, da ja im Blut immer Eiweiß enthalten ist. Prinzipiell gelangt tatsächlich mit solchen Blutungen Eiweiß in den Harn. Aber vergleichsweise sehr wenig. Nur bei extrem starken Hämaturien aus den Harnwegen wird eine merkbare Erhöhung des Eiweißes im Harn auftreten. Bei einer Mikrohämaturie wäre das sicher nicht der Fall.

 

Wie sehen die roten Blutkörperchen im Harn (im Mikroskop) aus?

  • Wenn die roten Blutkörperchen überwiegend (>80%) beschädigt aussehen (man spricht von dysmorphen roten Blutkörperchen), dann ist wahrscheinlich, dass eine Schädigung der Glomeruli der Niere vorliegt.
  • Sind die roten Blutkörperchen aber überwiegend (>80%) normal geformt, dann wird die Ursache eher nicht in den Glomeruli liegen. Dann ist die Quelle der Blutkörperchen eher im ableitenden Harnsystem zu suchen (Harnleiter, Blase, Harnröhre) oder bei Krankheiten der Niere, die nicht primär die Glomeruli betreffen (z.B. Nierenzysten, Nierentumor).
     

    Nicht dysmorphe ("normale") Erythrozyten im Harn

    Verschiedene Formen nicht dysmorpher ("normaler") Erythrozyten im Harn

    A und B zeigen die typische, normale Form der eingedellten Scheibe, C ist leicht stachelig verändert, was aber nicht zu den Dysmorphien zählt. D ist ein sog. Erythrozyten-Geist, eine leere Hülle ohne Inhalt. Auch diese Form ist kein Hinweis auf eine Nierenerkrankung, die die Glomeruli betrifft.

    Dysmorphe Erythrozyten im Harn

    Verschiedene Formen dysmorpher Erythrozyten im Harn

    A zeigt eine Ringform mit 2 Einschnürungen, bei B sind es schon sehr viele Einschnürungen. Bei C ragen Zapfen in die Mitte hinein. D zeigt blasige Ausstülpungen. Unter den dysmorphen Formen nennt man D-artige Formen "Akanthozyten". Sie sollen besonders typisch für eine Schädigung der Nierenglomeruli sein.
  • Liegt ein gleichmäßigeres Gemisch aus dysmorphen ("beschädigten") und normalen roten Blutkörperchen vor, kann man daraus keine eindeutigen Schlüsse ziehen.
  • Selten sieht man im Mikroskop auch sog. Erythrozytenzylinder, also längliche Gebilde aus mehreren roten Blutkörperchen. Sie sind eine Art Ausguss eines Nierenröhrchens. Wenn man sie findet, ist das ein Beweis, dass die roten Blutkörperchen aus der Niere kommen. Man findet Erythrozytenzylinder aber nur selten, auch wenn die roten Blutkörperchen aus der Niere kommen. Findet man keine, spricht dies daher keineswegs gegen eine Nierenerkrankung.

 

Wie viele weiße Blutkörperchen und Bakterien sind im Harn?

  • Findet man im Harn größere Mengen von Bakterien und weißen Blutkörperchen, spricht das für eine bakterielle Infektion des Harntraktes (Pyelonephritis, Blasenentzündung). Eine Harnkultur (Harn auf Nährboden, Lagerung bei 37°C, Bakterienwachstum beobachtbar) kann dann einen Harnwegsinfekt nachzuweisen helfen.
  • Bei der Tuberkulose des Harntraktes findet man auch weiße Blutkörperchen im Harn aber keine Bakterien im Mikroskop. Auch "normale" Kulturen werden keine Bakterien anzeigen. 
  • Kleinere Mengen von Leukozyten (ohne Vermehrung von Bakterien) sagen über mögliche Ursachen einer Hämaturie weniger aus. Sie kommen bei verschiedenen Erkrankungen sowohl der Niere als auch des harnableitenden Systems (Harnleiter, Harnblase) vor.

Natürlich können auch die Beschwerden und Symptome des Patienten (z.B. das Vorhandensein von Schmerzen) und die Krankengeschichte des Patienten bei der Diagnose helfen.

 

Welche Untersuchungen können bei der Abklärung einer Hämaturie helfen?

  • Andere Laboruntersuchungen
    Neben den Blut-Routinewerten (inkl. Kreatinin, Kalzium und Harnsäure):
    Komplementfaktoren, Kryoglobuline, ASLO, Auto-Antikörper (ANA, ANCA, Anti-Basalmembran-Antikörper) im Blut. Diese Befunde helfen beim Nachweis und Ausschluss von verschiedenen Autoimmunerkrankungen, die eine Glomerulonephritis verursachen können.
    Je nach auftauchendem Verdacht kann eine Blutuntersuchung zum Ausschluss einer Sichelzell-Blutarmut oder Thalassämie, eine Bestimmung des Kalziums oder der Harnsäure im Harn, eine Bakterien- oder Pilzkultur des Harns, ein Tuberkulose-Bakteriennachweis im Harn oder eine Harnuntersuchung auf Parasiten notwendig werden.
     
  • Suche nach Tumorzellen im Harn
    Besteht der Verdacht auf einen bösartigen Tumor der Harnblase bzw. der Harnwege, kann im Harn nach Tumorzellen gesucht werden. Einerseits mittels herkömmlicher mikroskopischer Technik (Harnzytologie) andererseits mit modernen molekularbiologischen Verfahren (z.B. die sog. Fluoreszenz-In-Situ-Hybridisierung). Man darf allerdings den Verdacht nicht verwerfen, wenn man dabei keine Tumorzellen findet.
     
    Normale Schleimhautzellen der Harnwege Harnzytologie
    Zellen aus dem Harn werden gefärbt und im Mikroskop untersucht.
    Obere Abbildung zeigt normale Zellen der Blasenschleimhaut (man findet auch im normalen Harn sehr häufig Zellen der Blasenschleimhaut). Das dunkelviolette Zentrum ist der Zellkern.
    Bösartige Zellen eines Tumors der Schleimhaut der Harnwege Abnorme Zellen eines Harnblasentumors. Große Zellkerne teilweise mit helleren Flecken, sog. Kernkörperchen.
    Normale Zelle der Blasenschleimhaut mit markierten Chromosomenabschnitten Nachweis von Tumorzellen im Harn durch Fluoreszenz-In-Situ-Hybridisierung (FISH)
    Mit speziellen Markern werden bestimmte Abschnitte auf den Chromosomen der Zelle markiert. Links eine normale Zelle der Blasenschleimhaut. Sie hat je 2 Exemplare der markierten Abschnitte (je 2 rote, grüne, blaue und gelbe Punkte).
    Normale Krebszelle der Blasenschleimhaut mit markierten Chromosomenabschnitten Abnorme Zelle eines Harnblasentumors. Die 4 grünen Punkte, die 3 blauen und die 4 roten Punkte und das Fehlen der gelben Punkte weisen auf krankhafte Veränderungen bei den Chromosomen der Zelle hin.

     

  • Ultraschalluntersuchungen
    Nieren, Harnleiter, Blase, Prostata
     
  • Urographie
    Röntgenologische Darstellung der Nierenkelche, des Nierenbeckens, der Harnleiter und der Harnblase mit Hilfe von Kontrastmittel.

    Urographie: Kontrastmitteluntersuchung der Niere; Röntgenbild

    Urographie: Kontrastmitteluntersuchung der Niere; Schema

    Intravenöse Urographie
    Nach der Injektion eines Kontrastmittels in eine Ellbogenvene werden Röntgenaufnahmen gemacht. Das Kontrastmittel wird über die Niere in den Harn ausgeschieden. Im oben dargestellten Fall sehen Nierenbecken und die Harnleiter normal aus. In der Blase zeigt sich aber ein ausgedehnter Bereich, in dem kein Kontrastmittel ist (Füllungsdefekt). Es handelte sich um einen großen Blasentumor (T).

     

  • Computertomographie und Kernspinresonanzuntersuchungen
     
  • Harnblasenspiegelung (Zystoskopie)
    Eine Zystoskopie wird bei Mikrohämaturie meist erst nach Auswertung der Ergebnisse der anderen Untersuchungen bei immer noch ungeklärter Hämaturie durchgeführt und auch dann nur, wenn überhaupt ein nennenswertes Risiko auf einen Tumor besteht.
    Das Risiko wird aber unterschiedlich beurteilt. Manche sagen eine Zystoskopie bei Mikrohämaturie ist vor dem 50 Lebensjahr nicht notwendig, andere halten eine Zystoskopie bereits ab dem 40 Lebensjahr für sinnvoll.
    Auch ein insgesamt höheres Blasenkrebs-Risiko des Patienten kann eine Zystoskopie bei Mikrohämaturie rechtfertigen.
    Risiko-Faktoren: älter; männlich; Raucher; Schmerzmittelmissbrauch mit bestimmten, früher gebräuchlichen Schmerzmitteln; beruflicher Kontakt mit Anilin-Farben; Behandlung mit Cyclophosphamid oder Ifosfamid (Anti-Krebsmittel); Probleme beim Harnlassen; trotz Behandlung immer wiederkehrende Harnwegsinfektionen.
    Bei Makrohämaturie wird man auf eine Zystoskopie kaum verzichten können.
    Der Tumor der Blasenschleimhaut ist bei Blasenspiegelung erkennbar Zystoskopie
    Ein Schlauch (Endoskop) wird über die Harnröhre in die Harnblase eingeführt. Durch den Schlauch kann man die Harnblase untersuchen. Auch die Harnleiter lassen sich auf diese Art untersuchen.
    Der Pfeil zeigt auf einen Harnblasentumor.

     

  • Nierenbiopsie (Gewebsentnahme aus der Niere)
    Eine Gewebsentnahme wird meist nur dann notwendig sein, wenn bei ungeklärter Hämaturie der Verdacht auf eine schwerere Nierenschädigung (v.a. Glomerulonephritis) besteht. Z.B. wegen einer starken Eiweißvermehrung im Harn.
    Ab wann ein solcher Verdacht eine Biopsie rechtfertigt, wird allerdings unterschiedlich beurteilt: Manche Nephrologen halten eine Nierenbiopsie für nicht notwendig, wenn bei Mikrohämaturie keine oder nur eine leichte Proteinurie besteht (< 1 g / Tag) und die Nierenfunktion und der Blutdruck normal sind (R.J. Glassock, Best Practice of Medicine, 2002). Andere empfehlen eine Nierenbiopsie, immer wenn auch Eiweiß im Harn vermehrt ist. Manche halten eine Nierenbiopsie bei noch ungeklärten Hämaturien in jedem Fall für sinnvoll, weil man damit einen leichten Nierenschaden erkennen kann und dem Patienten so die Angst vor einem vielleicht "übersehenen" Tumor nimmt.
     
  • Andere Untersuchungen:
    Untersuchung des Gehörs und der Augen (eine erbliche Nierenerkrankung - das Alport-Syndrom - geht mit Schwerhörigkeit und Augenerkrankungen einher)

 

Zum Flussdiagramm: Abklärung einer Hämaturie Schema zur Abklärung einer Mikrohämaturie
(nach R.A.Cohen, New England Journal of Medicine, 2003)

 

 

Die ungeklärte Hämaturie

Und wenn man keine Ursache für das Blut im Harn findet?
Bei etwa 10% aller Hämaturien findet man keine Ursache. Das hat auch damit zu tun, dass es nicht immer Sinn macht, weitere Untersuchungen durchzuführen. So lassen sich manche leichte Nierenerkrankungen, die die Ursache einer glomerulären Hämaturie sein könnten, nur nach einer Entnahme von Nierengewebe eindeutig nachweisen. Wenn aber ansonsten keine Beschwerden (z.B. erhöhter Blutdruck, Lidschwellungen) auftreten, das Eiweiß im Harn nicht wesentlich erhöht ist und auch die Nierenwerte (Kreatinin, Kreatininclearance) im Blut normal sind, dann wird man sich nur schwer zur Entnahme einer Probe aus der Niere entschließen können.
Es ist also durchaus nicht außergewöhnlich, wenn die Ursache einer Hämaturie nicht gefunden wird. Was den Patienten aber dabei belastet, ist die Frage, ob dahinter eine schwere, nicht erkannte Erkrankung, z.B. Harnblasenkrebs steckt.
Dazu kann man sagen: das kann man nicht 100%ig ausschließen, die Gefahr ist aber gering.
Bei einer Studie von 146 Patienten mit Makrohämaturie ohne erkennbare Ursache hörten bei 98 Patienten die Blutungen von selbst auf. Und nur bei einem einzigen Patienten (bei dem die Hämaturie nicht aufhörte) fand sich bei einer Kontrolluntersuchung ein Tumor.
(H. Sells, British Journal of Urology International, 2001).

 

Welche Kontrolluntersuchungen werden bei ungeklärter Hämaturie durchgeführt?
Das ist schwer generell zu sagen. Einerseits gehen die Empfehlungen hierzu weit auseinander, andererseits muss das auch individuell von Fall zu Fall entschieden werden. Deswegen seien nur einige Empfehlungen angeführt:

  • Manche halten es für sinnvoll, bei anhaltenden, ungeklärten Hämaturien (sofern sie nicht eindeutig einen glomerulären Ursprung haben) die bildgebenden Untersuchungen (z.B. Ultraschall, CT und Urographie) aber auch die Zystoskopie einmal zu wiederholen.
    (H. Sells, British Journal of Urology International, 2001)
  • Von der Amerikanischen Urologischen Vereinigung werden bei ungeklärter Mikrohämaturie Kontrollen nach 6, 12, 24 und 36 Monaten empfohlen. Und zwar eine Untersuchung des Harns inklusive Suche nach Tumorzellen (Harnzytologie) und eine Blutdruckmessung.
    (G.D. Grossfeld, American Family Physician, 2001).
    • Wenn sich die Hämaturie verstärkt, die Harnzytologie auffällig wird oder sich Probleme beim Harnlassen einstellen, muss die ganze Abklärung der Hämaturie wiederholt werden. Aber auch wenn die Befunde gleichbleiben sollten, kann bei hohem Risiko des Patienten eine neuerliche Abklärung angestrebt werden.
    • Bleiben die Befunde hingegen 3 Jahre lang unverändert, kann man die Suche nach Zeichen für einen Tumor (Harnzytologie) einstellen.
    • Kommt es zum Auftreten von Eiweiß im Harn, hohem Blutdruck und/oder zu verstärkten glomerulären Blutungen (mit dysmorphen, glomerulären roten Blutkörperchen) muss nochmals in Richtung bestimmter Nierenerkrankung untersucht werden (Blutuntersuchungen, ev. auch Nierengewebsentnahme).
  • Eine jährliche Überprüfung der Nierenfunktion (Blut und Eiweiß im Harn, Kreatinin im Blut und ev. Kreatininclearance, Blutdruck) wird von manchen längerfristig empfohlen.

 

Spezielle Fragen bei Hämaturie

Wie geht man vor, wenn der Teststreifen einmal positiv, bei der Kontrolle aber negativ war?
Hier gibt es unterschiedliche Empfehlungen:
R.A.Cohen, New England Journal of Medicine, 2003: Nach einem positiven Teststreifen-Befund sollte erst einmal ein paar Tage zugewartet werden und dann noch einmal getestet werden. Ist der zweite Befund negativ, könne man auf eine weitere Abklärung der Hämaturie verzichten, wenn nicht besondere Risikofaktoren für Blasenkarzinom vorliegen (Rauchen, beruflicher Kontakt mit bestimmten Chemikalien bzw. Farbstoffen [in der Leder-, Farbstoff-, Gummi-, Reifenerzeugung], Schmerzmittelmissbrauch mit bestimmten Schmerzmitteln, durchgemachte Behandlungen mit Cyclophosphamid oder Ifosfamid).
Während es absolut verständlich ist, nach einem einmalig positiven Befund nicht gleich eine aufwändige Abklärung zu beginnen, ist es zumindest diskussionswürdig, ob die Abklärung enden sollte, nur weil der zweite Befund negativ war. Eine Harn-Teststreifen-Untersuchung verursacht nur minimale Kosten und ist für den Patienten absolut keine Belastung. Eine nochmalige Untersuchung, die die widersprüchlichen Ergebnisse der beiden ersten Untersuchungen klärt, erscheint daher durchaus vertretbar und sinnvoll.

 

Wann muss bei einer Hämaturie rasch reagiert werden?

  • Eine massive Blutung erfordert eine rasche Abklärung und Behandlung, die meist ein Urologe vornehmen wird.
  • Zeichen abnehmender Nierenfunktion (z.B. ansteigendes Kreatinin im Blut, ev. geringer werdende Harnmengen) bedürfen einer raschen Abklärung und Behandlung, die meist an einer Internen bzw. Nephrologischen Abteilung vorzunehmen sein wird.
  • Wenn die Hämaturie Ausdruck einer schweren Allgemeinerkrankung ist (z.B. Störung der Blutgerinnung), kann ebenfalls eine rasche Reaktion notwendig werden.

 

Blut im Harn ohne Erkrankung
 
Kommt vor:

  • nach schwerer körperlicher Anstrengung (Marathonlauf),
  • nach dem Geschlechtsverkehr bei der Frau (in einer Studie fand sich bei einem Viertel der Frauen eine Mikrohämaturie nach dem Geschlechtsverkehr - genauer: am morgen danach).
  • Verschleppung von Blut der Regelblutung
   
REFERENZ-
BEREICH:
Bereich Einheit
0 bis 2
(manche halten bis 5 für normal)

Rote Blutkörperchen pro Gesichtsfeld im Mikroskop
(Sedimentuntersuchung* bei 400-facher Vergrößerung)

0 bis 3 Zellen/µl

*10 ml Harn werden 5 Minuten bei 400 G (also relativ leicht) zentrifugiert. Der Überstand wird abgegossen und das Sediment in ca. 0.5 ml aufgeschüttelt. Davon wird 1 Tropfen auf den Objektträger gegeben, mit einem Deckglas bedeckt und im Mikroskop untersucht.

 

ERKRANKUNGEN MIT BLUT IM HARN:
Erkrankungen der Niere mit glomerulärer Hämaturie
(d.h. die roten Blutkörperchen sind überwiegend dysmorph [die Form ist in charakteristischer Weise verändert])

Zu glomerulären Hämaturien kommt es vor allem bei Entzündungen oder anderen Erkrankungen der Glomeruli der Niere, also der Nierenfilter. Die Entzündungen nennt man Glomerulonephritis.

  • IgA-Nephropathie (=IgA-Glomerulonephritis, Berger's Disease)
    Die IgA-Nephropathie ist die häufigste Form der Glomerulonephritis. Kommt besonders bei Jugendlichen und jüngeren Männern 1 bis 2 Tage nach einer Infektion der oberen Atemwege vor. Neben der Hämaturie können auch eine Eiweißvermehrung im Harn und ein hoher Blutdruck auftreten. Verläuft lange Zeit gutartig, aber etwa 25% der Fälle gehen nach 1-2 Jahrzehnten in ein Nierenversagen über. Ursache unbekannt.
    Zur Diagnose braucht man eine Gewebsentnahme aus der Niere und eine mikroskopische Untersuchung.
     
  • Erkrankung mit dünner Basalmembran
    (früher "benigne familiäre Hämaturie" genannt)
    Eine relativ häufige, meist erbliche Besonderheit lässt die Basalmembran der Nierenfilter (der Glomeruli) auffällig dünn werden. Die Hämaturie beginnt meist schon in der Kindheit. Die Krankheit zeigt meist einen gutartigen Verlauf.
    Zur Diagnose braucht man eine Gewebsentnahme aus der Niere und eine Untersuchung mit dem Elektronenmikroskop. Dazu wird man sich aber wegen der meist harmlosen Befunde (Eiweiß im Harn normal oder nur minimal erhöht) nur selten entschließen. Daher sind wahrscheinlich nicht wenige Fälle "ungeklärter Hämaturie" auf diese Erkrankung zurückzuführen.
     
  • Alport-Syndrom (erbliche Glomerulonephritis)
    Häufigste erbliche Glomerulonephritis. Betrifft vorwiegend Knaben. Zeichen: Glomerulonephritis mit Hämaturie, Schwerhörigkeit, Sehstörungen wegen Deformierungen der Linse des Auges und Schädigungen der Hornhaut. Führt häufig zum Nierenversagen.  
     
  • Verschiedene andere Formen der Glomerulonephritis
    Herausgegriffen sei nur die sog. poststreptokokken Glomerulonephritis, die typischerweise 1 bis 3 Wochen nach einer Infektion mit bestimmten Bakterien, den hämolysierenden Streptokokken, auftritt. Diese können z.B. eine Halsentzündung (Angina), Nebenhöhlenentzündung, Hautinfektion oder eine Mittelohrentzündung verursachen. In der Folge kann dann eine Glomerulonephritis entstehen. Meist sind Kinder zwischen 2 und 10 Jahren betroffen. Die Aussichten auf komplette Heilung sind bei Kindern sehr gut.
     
  • Mitbeteiligung der Niere bei verschiedenen Systemerkrankungen
    Die Ursachen all dieser Erkrankungen sind letztlich unbekannt.
    • Lupus Erythematodes
      (Autoimmunerkrankung mit typischerweise Schmetterlings-Rötung im Gesicht, Gelenksbeschwerden, Nierenschäden)
    • Polyangiitis - mikroskopische Polyarteriitis
      (Autoimmunerkrankung mit Befall der kleinen Blutgefäße an den verschiedensten Stellen im Körper, so auch in den Nierenglomeruli)
    • Wegenersche Granulomatose
      (Entzündungen im Nasen-Rachenraum und der Lunge, Glomerulonephritis)
    • Schönlein-Henochsche Purpura
      (vor allem bei Kindern auftretende, vielleicht allergisch bedingte Entzündung der kleinen Blutgefäße mit blau-violetten Flecken an der Haut, Schwellungen der Gelenke, Bauchschmerzen, Erbrechen und Glomerulonephritis)
    • Rheumatoide Vaskulitis
      (Blutgefäßentzündungen als Begleiterkrankung bei schwerer Rheumatoider Arthritis["Rheuma"])
    • Goodpasture Syndrom
      (Autoimmunerkrankung mit Schädigung der Lunge und der Niere)

       
  • Infektionen mit Nierenbeteiligung
    Bei Infektionen kann eine Glomerulonephritis auftreten.
    Beispiele: Bakterielle Lungenentzündung, Virus-Hepatitis, Infektiöse Herzklappenentzündung, HIV, Malaria, Lepra, Syphilis u.a.
     
  • Seltenere Ursachen
    Sie seien hier nur kurz aufgezählt: Nail Patella Syndrom (erblich, Fehlbildungen der Knochen, der Nägel und der Glomeruli der Niere), Fabry'sche Erkrankung (erbliche Lipidspeicherkrankheit), Maligner Bluthochdruck, Nierenschädigung bei Zuckerkrankheit (verursacht manchmal eine glomeruläre Hämaturie, häufiger eine nicht-glomeruläre), Loin-Pain-Hämaturie Syndrom.

 

Erkrankungen der Niere oder der ableitenden Harnwege (Harnleiter, Harnblase, Harnröhre) mit nicht-glomerulärer Hämaturie
(d.h. die roten Blutkörperchen sehen überwiegend normal aus, Mischformen kommen allerdings vor)
  • Infektionen
    Bakterielle Infektionen, Pilzinfektionen ev. auch Virusinfektionen der Harnwege. Z.B. Pyelonephritis (bakterielle Infektion der oberen Harnwege mit Beteiligung des Nierenbeckens, der Nierenkelche und der Niere), Blasenentzündung (Zystitis), Tuberkulose der Harnwege.
    Schistosomiasis der Harnblase (Bilharziose, Parasitenerkrankung in Tropen und Subtropen).
    Entzündung der Vorsteherdrüse (Prostatitis).
     
  • Tumorerkrankungen
    Nierentumor, Wilms Tumor, Tumoren des Nierenbeckens, der Harnleiter, der Harnblase.
    Tumoren der Prostata (Vorsteherdrüse), auch gutartige.
    Bis auf den Wilms-Tumor, der in der Kindheit auftritt, sind diese Tumoren unter dem 40 Lebensjahr selten.
    Gelegentlich können auch Tochterabsiedelungen von Tumoren (Metastasen) oder der Befall der Niere oder der Harnwege im Rahmen einer Leukämie (Blutkrebs) Ursachen einer Hämaturie sein.
     
  • Nierenzysten, Zystenniere, Markschwammniere
    Einzelne Hohlräume (Zysten oder Pseudozysten) in der Niere können Folgezustände anderer Erkrankungen (z.B. von Infektionen) sein. Die Zystenniere (Vielzahl von größeren Hohlräumen) ist meist erblich. Die Markschwammniere ist eine angeborene Fehlbildung mit vielen kleineren Hohlräumen, die sich aber erst mit 30-50 Jahren auswirkt.
     
  • Steine im Bereich der Harnwege
     
  • Verengungen des Harnleiters mit Harnrückstau
    Verengungen können z.B. Folgen einer abgelaufenen Entzündung sein.
     
  • Entzündung der Niere (interstitielle Nephritis)
    Überempfindlichkeitsreaktionen auf Medikamente (Hypersensitivitätsnephritis; kann mit Hautausschlägen und Eosinophilie einhergehen), Gifte (Umweltgifte bei der sog. Balkannephropathie), Entzündung nach Bestrahlungen, Infektion als Ursache (Bakterien, Viren).
     
  • Blutmangel der Niere bei Blutgefäßverschlüssen
    Führt zu Sauerstoffmangel und zum Absterben von Nierengewebe. Verschluss der Blutzufuhr (Nierenarterienverschluss) oder des Blutabflusses (Nierenvenenverschluss) kann die Ursache sein.
     
  • Blutgefäßfehlbildungen
    Krampfadern im Bereich der Harnwege, andere Fehlbildungen.
     
  • Verletzungen
    Unfall, Katheterisierung der Harnwege (Schlauch in Harnwege; meist zum Ableiten des Harns), Fremdkörper im Bereich der Harnröhre oder Blase, Nierengewebsentnahme.
     
  • Transplantatabstoßung nach Nierentransplantation
     
  • Missbrauch von Schmerzmitteln
    Kann zu Nierenschäden führen.
     
  • Alkoholismus
     
  • Zuckerkrankheit
    Kann zu Nierenschäden führen.
     
  • Erhöhte Ausscheidung von Kalzium oder Harnsäure im Harn
    Kann wahrscheinlich auch ohne nachweisbare Steinbildung wegen der Entstehung von kleinen Kristallen, die kleinste Verletzungen verursachen, zur Hämaturie führen. Ursachen siehe unter Kalzium und Harnsäure.
      
  • Erbliche Bluterkrankungen mit abnormem roten Blutfarbstoff (Sichelzellerkrankung: sichelige rote Blutkörperchen; fast ausschließlich schwarze Bevölkerung betroffen. Thalassämie: vorwiegend im Mittelmeerraum vorkommend)
     
  • Amyloidose der Harnblase
    Abnorme Eiweißablagerungen in der Harnblase. Ursache meist langandauernde Entzündungen (z.B. "Rheuma", Knochenentzündungen, Colitis ulcerosa) oder bösartige Erkrankungen mit Produktion von bestimmten Eiweißstoffen (Plasmozytom, Immunozytom).
     
  • Endometriose im Bereich des Harntraktes
    Schleimhaut der Gebärmutter (das Endometrium) kann auch außerhalb der Gebärmutter vorkommen. Z.B. in der Harnblase. Das kann zu Schmerzen und Hämaturie führen, die meist gemeinsam mit der Regelblutung auftauchen.
     
  • Blutungsneigung wegen Störungen der Blutgerinnung
    Einnahme von Medikamenten, die die Blutgerinnung hemmen sollen ("Marcoumar", "Heparin"), Mangel an Blutplättchen (Thrombopenie), Krankheiten mit Funktionsstörungen der Blutplättchen.
     
  • Vitamin C Mangel - Skorbut
    In Mitteleuropa kommt schwerer Vitamin C Mangel kaum mehr vor.

 

   

 

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Letzte Änderung 2006-01-04

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